Wildcat-Zirkular Nr. 61 - Januar 2002 - S. 8-23 [z61warg1.htm]


[Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] Zirkular: [Nr. 61] [Ausgaben] [Artikel]

Globaler Krieg um die Ordnung der Welt

[englisch]

Hinter den Anschlägen vom 11.9. stecken nicht die Verarmten und Ausgebeuteten dieser Welt, und die Bombardierung Afghanistans richtet sich nicht gegen die mutmaßlichen Hintermänner der Anschläge. Beide Ereignisse gehören zur Strategie der weltweiten Kontrolle von Arbeitskraft und der Absicherung der globalen Verwertung von Kapital. Dabei geht es nicht einfach um Profitmachen im ökonomischen Sinne, sondern um die Absicherung und Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse, d.h. eines spezifischen Klassenverhältnisses. Dieses Klassenverhältnis als Kern einer historischen Form von Gesellschaft befindet sich in der Krise und muß heute mit Krieg verteidigt werden.

In den Diskussionen der letzten Wochen sind eine ganze Reihe von Hintergründen sowohl der Anschläge wie des Kriegs in Afghanistan zusammengetragen worden, die für sich genommen alle richtig sind, aber doch nur Facetten eines globalen Klassenkampfs wiedergeben: die Rolle des Erdöls am Kaspischen Meer und die Pipelines, das geopolitische Gerangel um den zentralasiatischen Raum, die Instabilität der Regimes im Nahen Osten, die religiöse und ethnische Zerklüftung der Gesellschaften, die internationalen Migrationsströme, die dramatische Krise der kapitalistischen Weltökonomie, Krisenphänomene in den Industrieländern selbst, der Weltmarkt für Rauschgifte, die Widersprüche der sogenannten Globalisierung, die Neuorientierung der US- und Nato-Kriegspolitik, die Transformation der Demokratien zum Sicherheitsstaat ... Aber statt den Zusammenhang dieser einzelnen Aspekte im kapitalistischen Charakter der heutigen Welt, in der antagonistischen Form der gesellschaftlichen Beziehungen aufzudecken, werden sie in den Diskussionen isoliert gegenübergestellt und mystifizieren dann mehr als sie erklären.

In Teil I betrachten wir den Charakter von Krieg, den sozialen Inhalt des zwanzigjährigen Kriegs in Afghanistan, und erklären die Bedeutung der zentralasiatischen Region aus der Rolle des Erdöls für die Klassenbeziehungen in der kapitalistischen Industrie und dem politischen Dilemma der Ölregimes im Nahen Osten, dem auch die Anschläge vom 11.9. entstammen. In Teil II (im nächsten Heft) wollen wir die Bedeutung der Taliban, die Entscheidung zum militärischen Eingreifen in Afghanistan und den konkreten Verlauf der Bombardierungen untersuchen und diesen »Krieg« in die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Perspektiven der Weltordnung einordnen.

[Siehe auch unsere ersten Thesen vom 26.9.01 Zu den Anschlägen in den USA und zum Krieg]

 

Teil I:

Die Proletarisierung der Welt und die (Öl-) Maschine des Kapitals

Als die Stadt New York Mitte Dezember die Zahl der Opfer vom 11.9. mit 2992 angab, legte ein unbekannter Professor aus New Hampshire eine akribisch durchgeführte Untersuchung über die Zahl der zivilen Toten in Afghanistan vor, an der sonst niemand ein Interesse gezeigt hatte. Für die ersten achteinhalb Wochen nach dem Beginn der Bombardierungen kam er auf 3767 zivile Tote, wobei er alle ausklammerte, die erst später ihren Verletzungen erlagen oder an anderen Kriegsfolgen gestorben waren. [1] Vergleichbare Schätzungen getöteter Soldaten oder Gefangener gibt es nicht, es wird von etwa 10 000 gesprochen.

Viele haben sich über diese hohe Zahl an zivilen Opfern empört, den USA »unmenschliche Kriegsführung« vorgeworfen oder vom Einsatz bestimmter Waffen wie der berüchtigten Streubomben abgeraten. Trotz oder gerade durch solche Appelle bleibt das Bild erhalten, der Krieg sei lediglich Mittel für einen bestimmten politischen Zweck: Sturz des Taliban-Regimes, Ausschaltung der Al-Qaeda-Terroristen, oder auch Zugriff auf Erdöl oder geostrategische Absichten.

Krieg als Gesellschaftspolitik

Krieg ist nie einfach Mittel für etwas anderes. Er ist selber ein bestimmtes gesellschaftliches Verhältnis, das in extremer Weise ausdrückt, was die Rolle der Proletarier sein soll: ohnmächtige Objekte eines über ihren Köpfen stattfindenen Geschehens. In der »Washington Post« wurden am 16.12. militärpsychologische Überlegungen zur Rolle von massiven Bombardierungen aus der Luft wiedergegeben, die auf Erfahrungen aus dem Golfkrieg '91 und den Bombardierungen Jugoslawiens '99, aber auch auf Erkenntnissen im Zweiten Weltkrieg beruhen: [2] es gehe nicht einfach um die physischen Zerstörungen, sondern um die völlige Demoralisierung der Angegriffenen. Besonders wirksam seien Bombardements aus einer solchen Höhe, daß nicht einmal die Flugzeuge bemerkt würden. Diese Bomben, die für die Betroffenen »aus dem Nichts« zu kommen scheinen und gegen die es keine Möglichkeit der Gegenwehr, noch nicht einmal des Entkommens gibt, erzeugten nicht nur Gefühle der Furcht, sondern der völligen Sinnlosigkeit und Ohnmacht; dem Feind würden übermenschliche Fähigkeiten zugeschrieben. Verstärkt würden diese Gefühle noch durch die Isolation und das Fehlen von Wasser und Nahrung. (Wir können hinzufügen, daß sich auch die Attentäter vom 11.9. solcher Erkenntnisse bedient haben könnten: ihre »Bomben« kamen ebenso aus dem Nichts und ließen keine Gegenwehr zu; ihre vermeintlichen Verursacher wurden ebenso mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet, was den durch solche Anschläge Bedrohten keine andere Wahl lassen soll, als sich einer höheren Macht zu unterwerfen.)

Marc Herold führt die hohe Anzahl ziviler Toter nicht auf Ungenauigkeit oder Versagen der Waffensysteme zurück, sondern auf diese Art der Kriegsführung. Wie schon im Golf- und Kosovo-Krieg war es die oberste Maxime der Kriegsführung, eigene Verluste zu vermeiden. Daher wurde aus Höhen bombardiert, die für die immer noch in Afghanistan vorhandenen Stinger-Raketen unerreichbar sind. [3] Pures Märchen sind auch die hochintelligenten Waffen, die nur die Bösen treffen: nicht so sehr, weil auch sie oft genug daneben gehen, sondern weil sie schon aus Kostengründen nur einen kleinen Teil der Bombardierungen ausmachten. Ein Cruise Missile kostet 1 bis 1,5 Mio. Dollar, eine Splitterbombe lächerliche 5000 Dollar. Zudem wurden gezielt nicht-militärische Ziele wie Wasserkraftwerke und Staudämme angegriffen, das Telefonsystem ausgeschaltet oder Rundfunksender zerstört. Mehrmals wurden Hilfsgüter-Lager bombardiert und Beschäftigte von Hilfsorganisationen getötet - was nach dem dritten Mal selbst das Internationale Rote Kreuz nicht mehr für Zufall halten wollte.

»Als U.S.-Kampfflugzeuge am 22.-23. Oktober das Dorf von Chowkar-Karez, 25 Meilen nördlich von Kandahar, mit AC-130 Kanonen beschossen und mindestens 93 Zivilisten töteten, sagte ein Beamter des Pentagons, 'die Leute dort sind tot, weil wir sie tot haben wollten'. Der Grund? Sie sympathisierten mit den Taliban.« [4]

Da ist einem Militär einmal die Wahrheit herausgerutscht. Die zivilen Toten sind keine bedauerlichen »Kollateralschäden«, sondern gewollt. Allen - den Taliban, der Zivilbevölkerung und vor allem den Milizen der »Nordallianz« - soll klargemacht werden, daß sie sich den Diktaten dieser Übermacht zu beugen haben; daß diese Macht den Tod überall hinbringen kann. Staatlichkeit beruht immer auf der Anerkennung eines Gewaltmonopols - in diesem Sinne wurde Afghanistan regelrecht in die Staatlichkeit gebombt. Von der Zahl der Toten her unterscheiden sich die Massaker, die in den Jahren zuvor von Milizen oder Taliban verübt wurden, nicht von den Massakern dieses Bombenfeldzugs - aber letztere haben eine andere Bedeutung, sie vermitteln die Existenz einer übergeordneten Gewalt. Als nach der »Befreiung der Städte« Mitte Dezember im Norden Kämpfe zwischen zwei Milizen der Nordallianz ausbrachen, zögerten die USA nicht, diese Gefechte mit Bomben aus der Luft zu beenden.

Krieg als Geschäft und Gesellschaftsveränderung

Die USA haben keinen Krieg geführt, sondern Bomben geworfen. Die Bodenkämpfe haben sie den Milizen der »Nordallianz« überlassen. Die führen schon seit Jahren Krieg: gegen die Sowjetunion und das Regime in Kabul, untereinander, dann gegen die Taliban, aber auch immer wieder untereinander. In den Medien wird über das Chaos in Afghanistan, den unlösbaren Konflikt und das ständige Scheitern von Friedensbemühungen lamentiert. Aber wollte hier überhaupt irgend jemand Frieden?

Zur Erklärung der zwanzig Jahre Krieg in Afghanistan, dem mindestens 1,5 Mio. Menschen zum Opfer fielen und der mehrere Millionen zu Flüchtlingen machte, werden ethnische und religiöse Konflikte sowie die Konkurrenz der angrenzenden bzw. an der Region interessierten Staaten angeführt. All dies habe eine Lösung verhindert. Welche Lösung? Der Zustand des Krieges war für lange Zeit die Lösung. Er war keineswegs das völlige Chaos, sondern eine für die aktiv daran Beteiligten stabile Ökonomie, auf der ihre Profite beruhten, und er war ein Prozeß, der die sozialen Verhältnisse gegen allen Widerstand radikal umwälzte. [5]

Dieser Krieg hat in zwanzig Jahren das bewirkt, was früheren Entwicklungsdiktaturen und Reformprogrammen nicht gelungen war. Der Krieg in Afghanistan läßt sich fast bilderbuchhaft als ein Prozeß »ursprünglicher Akkumulation«, d.h. der Losreißung der Menschen aus ihren Subsistenzverhältnissen und der Etablierung kapitalistischer Verhältnisse beschreiben. Die Ethnisierung war nur ein Mittel, um den Krieg am Laufen zu halten. Sie hat ihre Basis nicht in der Bevölkerung (siehe Kasten), sondern dient den Milizen zur Legitimation ständiger Kriegsführung. Die Warlords haben nichts mit den alten »Stammesführern« zu tun, sondern stellen eine neue politische und ökonomische Elite dar.

 

Die ethnischen Konstrukte in Afghanistan
»(...) Im Gegensatz zu allgemeinen Vorstellungen, dass ethnische Gruppen bereits seit unbestimmter Zeit existieren, sind die meisten Ethnien in Afghanistan erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts kreiert worden. Vom wissenschaftlichen Eifer getrieben, Menschen auf Grund kultureller Eigenheiten zu klassifizieren, schufen Ethnologen eine ganze Reihe ethnischer Gruppen: So die Nuristani, Paschai, Aimaq oder Farsiwan. Der Begriff «Tadschike» etwa bezog sich in Afghanistan originär auf Bewohner, die sich ethnisch nicht einordnen lassen. Dennoch sprechen wir heute von der ethnischen Gruppe der Tadschiken. (...) Wegen unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze ist unklar, wie viele ethnische Gruppen es in Afghanistan überhaupt gibt. Während eine deutschsprachige Abhandlung auf ungefähr 50 Ethnien kommt, zählt eine russische 200. (...) Es fehlt an Konzepten, die sagen, wie ein Usbeke, ein Hazara oder ein Paschtune zu sein hat. Wer etwa behauptet, alle Paschtunen sind Sunniten, irrt gewaltig, da es im Raum Kandahar und im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auch schiitische Paschtunen gibt. Wer behauptet, alle Paschtunen sprechen Paschtu, irrt ebenfalls. So sprechen Tadschiken in Jalalabad oder Hazara in Ghazni auch Paschtu. Im Gegenzug beherrschen Kabuler Paschtunen, die auf ihre paschtunische Identität pochen, oftmals kein einziges Wort Paschtu. (...) Der Trugschluss westlicher Politiker ist jedoch, die ethnischen Gruppen mit den herrschenden militärisch-politischen Bewegungen gleichzusetzen und als einheitlich handelnde Blöcke aufzufassen. In der gegenwärtigen Debatte bleibt nämlich unberücksichtigt, dass trotz der Ethnisierung des Kriegs eine Ethnisierung der Massen ausblieb. Denn den meisten Afghanen sind alle Konfliktparteien gleichermassen verhasst. Auch die ethnische Problematik ist für sie nicht von Belang. So gerät völlig in Vergessenheit, dass für die afghanische Bevölkerung nicht die Volksgruppe, sondern nach wie vor die Familie, der Clan und das Dorf die wesentlichen Identitätsbezüge herstellen. Sogar die Relevanz von Ethnizität als militärisch-politische Klammer blieb im Afghanistankrieg beschränkt: Unzählige Kommandanten und Kampfeinheiten wechselten aus politischem Opportunismus und wirtschaftlichen Anreizen mehrfach die Fronten - unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit.« (Conrad Schetter: Die Schimäre der Ethnie in Afghanistan, Neue Zürcher Zeitung, 26. Oktober 2001)

 

Die gesellschaftlichen Umwälzungen des zwanzigjährigen Kriegs in Afghanistan lassen sich so zusammenfassen: [6]

An der Subsistenzökonomie und der darauf basierenden sozialen und politischen Ordnung auf dem Land gibt es nichts zu beschönigen. Die Macht innerhalb der clan- und dörflich strukturierten Herrschaft beruhte auf einem feudalähnlichen Pachtsystem, an dem sich verschiedene Versuche einer Bodenreform vergebens die Zähne ausgebissen hatten. Diese patriarchalen Strukturen widersetzen sich Entwicklungsmodellen von oben - egal ob mehr westlicher oder sowjetischer Ausrichtung.

Mit dem Übergang zur Kriegsökonomie kam eine neue Elite empor, deren Macht nicht mehr auf der Verfügung über Boden und Wasser sowie dem Bezug zur örtlichen Bevölkerung basierte. Die in der Presse übliche Bezeichnung der Warlords als »Stammesführer« oder »Clanchefs« ist völlig irreführend. Die Durchsetzung der neuen Ökonomie wurde vor allem dadurch unumkehrbar, daß ein neues Herrschaftsgefüge entstand, das nicht mehr auf den traditionellen Beziehungen basierte. Gefördert wurde dieser Wechsel durch die Entscheidung der USA, Pakistans und Saudi-Arabiens, im Kampf gegen die Sowjetunion nicht die traditionellen, landbesitzenden Eliten zu unterstützen, sondern nur die islamistischen Parteien. In dem Maße, wie die Milizen und ihr Agieren auf den Waffen- und Geldlieferungen aus dem Ausland beruhten, wurden sie autonom von den lokalen Gemeinschaften, aus denen sie vielleicht einmal stammten. Für die bäuerliche Bevölkerung, deren Subsistenzgrundlage zerstört worden war, bildeten die Milizen die nächstliegende Form der Lohnarbeit: Söldner - oft nur als vorübergehende Halbproletarisierung, wie sich an den festen Ritualen der militärischen Sommeroffensiven und Einstellung der Kämpfe zur Erntezeit ablesen läßt, und verbunden mit Widerstand in den Dörfern gegen Zwangsrekrutierungen.

Erst im Zuge ihrer Verselbständigung erfanden sich die Milizen und Warlords ihre »ethnischen« Zuschreibungen als Tadschiken, Usbeken, Paschtunen oder Hazaris, um eine eigene »Tradition« und naturalistische Identität vorweisen zu können [7] - praktiziert und demonstriert wurde diese Identität in regelrechten Massakern im Stil von ethnischen Säuberungen. Daran waren alle beteiligt: Truppen von Dostum gegen die Taliban (schon damals wurden Container als brutale Massentötungsmittel eingesetzt, wie es jetzt im November bei Masar-i-Sharif wieder geschehen ist), die Taliban gegen Hazaris, oder Massud gegen die Hazaris in Kabul ...

Das ständige Wechseln der Koalitionen, Bündnisse und Frontverläufe in diesem Krieg - das genauso für die Warlords wie für die einflußnehmenden Staaten gilt, erscheint nur dem irrational und chaotisch, der die ethnischen, religiösen oder tribalistischen Mäntelchen der Warlords für bare Münze nimmt. Es ging die ganze Zeit darum, diesen Krieg als Transformationsperiode und als Einkommensquelle am Laufen zu halten; und er war buchstäblich das, was die Globalisierungsapostel predigen: Einbindung in den Weltmarkt.

Der Krieg in Afghanistan als Katalysator für die Transformation in Zentralasien

Den beteiligten Großmächten - vor allem den USA und Rußland, aber auch Pakistan, Saudi-Arabien, Indien, Iran und China - lag daran, den Zugriff auf den zentralasiatischen Raum offen zu halten. Von Bedeutung sind nicht nur die Transportwege zum Kaspischen Meer und seinen Ölfeldern, sondern die gesamte politisch-militärische und wirtschaftliche Orientierung in den fünf 1991 unabhängig gewordenen Staaten Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan (zusammen bilden diese Länder ein Gebiet von der ca. zehnfachen Fläche der BRD mit 55 Mio. BewohnerInnen). Das Afghanistan der Warlords bildete die operative Basis für islamistische Oppositionsgruppen in diesen Ländern und zwang deren Regierungen, sich entweder des Beistands Rußlands oder der Nato zu versichern.

Der ständige Krieg in Afghanistan war dadurch zugleich ein Moment der Destabilisierung und sozialen Veränderung in diesen Staaten und eng verknüpft mit ähnlichen Kriegen in Tschetschenien, Tadschikistan oder Kirgisistan. Indem der Krieg in Afghanistan von allen Seiten mit Geld- und Waffenlieferungen in Gang gehalten wurde, stabilisierte er die Instabilität in ganz Zentralasien, die für diese Prozesse gebraucht wurde. Die übliche Bezeichung dieses und ähnlicher Kriege als »proxy wars« (Stellvertreterkriege), in denen die verschiedenen Großmächte der Region um ihren Einfluß feilschen, berührt nur die Oberfläche und übersieht die klassenbildende und damit kapitalisierende Dimension des militärischen Konflikts als solchem.

»Wahrscheinlich werden sich die Taliban wie die Saudis entwickeln. Es wird Aramco, Pipelines, einen Emir, kein Parlament und jede Menge Scharia geben. Damit können wir leben.« (Ein US-Diplomat am 20.1.1997) [8]

Erst ab Mitte der 90er Jahre reifen in Bezug auf Afghanistan die Überlegungen, zu einer Stabilisierung zu kommen, um die Früchte der bisherigen sozialen Zersetzung zu ernten - wobei die ersten Hoffnungsträger die heute geächteten Taliban sind. Schon im Kosovo-Krieg war klar geworden, daß der Drang der Nato nach Osten auch auf den Kaukasus und die zentralasiatische Region zielte. [9] Während der 90er Jahre rückte immer stärker das Interesse an den Öl- und Gasvorkommen im Kaspischen Meer in den Vordergrund. Der politische Umbruch in der Region 1990/91 hatte in der Ölbranche hochfliegende Erwartungen auf neue Profitquellen ausgelöst, die sich aber ebenso auf Sibirien richteten. Chevron ist seit 1987 am Kaspischen Meer aktiv und mischte von Anfang an beim Tenghiz-Feld mit, dem bislang größten Erschließungsprojekt. Trotzdem blieb die Ölwelt zunächst skeptisch. [10]

Ausschlaggebend für das strategische Interesse der USA und der Nato-Staaten an diesen Ölquellen wird in den 90er Jahren ihre Bedeutung als mögliche Alternative oder Ergänzung zum Ölexport aus dem Nahen Osten - nicht, weil das Versiegen der Ölfelder befürchtet wird, sondern weil der Hauptöllieferant Saudi-Arabien und die anderen Ölregimes auf der arabischen Halbinsel sich immer weniger dem sozialen Druck des Proletariats entziehen können. Kriege werden nicht aufgrund geologischer Vorhersagen für die nächsten 30, 40 oder 50 Jahre geführt, sondern aufgrund akut spürbarer Probleme. Eine solche Schmerzgrenze war der OPEC-Beschluß vom März 1999, Rohöl nach einer langen Phase niedriger Ölpreise zu verknappen, um die Preise hochzutreiben. Dies war die deutlichste Abkehr Saudi-Arabiens von seiner bisherigen Rolle bei der Ölpreisregulierung im Sinne der kapitalistischen Weltkonjunktur - und zugleich war allen klar, daß es aufgrund des Klassendrucks gar nicht anders handeln konnte. [11] Um diese Zeit herum dürften die grundsätzlichen Entscheidungen für eine größere militärische Operation in Afghanistan und eine direktere Präsenz in Zentralasien gefallen sein.

Die besondere Ware Erdöl

»Selbst ein Dummkopf versteht das Prinzip. Wir brauchen das Öl. Es ist schön, sich für die Freiheit auszusprechen, aber Kuwait und Saudi-Arabien sind nicht gerade Demokratien, und wenn ihr Hauptexportartikel Orangen wären ... hätten wir den August über in Washington den Laden dicht gemacht.« (Ein Berater von Bush sen. im August 1990, als die Vorbereitungen der USA auf den Krieg gegen den Irak anliefen; nach Thekla 17: Midnight Oil, S. 104)

In der Debatte um den Krieg in Afghanistan ist die Rolle des Erdöls äußerst umstritten. Das Projekt einer Pipeline vom Kaspischen Meer durch Afghanistan, das die beiden konkurrierenden Ölfirmen Bridas aus Argentinien und Unocal aus den USA Mitte der 90er Jahre betrieben und dann 1998 zu den Akten gelegt hatten, rückte wieder in den Mittelpunkt des Interesses, und das »Great Game« um die kaspischen Ölreserven ist in aller Munde. Dem wird entgegengehalten, eine solche Militäraktion ließe sich nicht daraus erklären, daß Bush aufgrund seiner Beteiligungen am Ölgeschäft den Weg für eine Pipeline freibomben wolle. Es geht tatsächlich nicht um diese spezielle Pipeline - obwohl wir den Einfluß privater Interessen auf das Regierungshandeln nicht unterschätzen sollten. Nur die demokratische Staatsillusion schafft es, Regierungsvertreter als interesselose Verkörperungen eines Allgemeinwohls darzustellen. Das Interesse der Ölindustrie richtete sich von Anfang an auf eine »Vielzahl von Pipelines«, um von keiner Route abhängig zu werden. [12]

Nicht nur die USA interessieren sich für das kaspische Öl, sondern ebenso die westeuropäischen Staaten, Japan und die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China und Indien, deren Ölverbrauch rasant ansteigt und die zudem an die zentralasiatische Region angrenzen. Dieses allgemeine Interesse beruht auf der Bedeutung des Öls für den Kreislauf des Kapitals. Öl ist zentraler Bestandteil der kapitalistischen Maschinerie und der gesamten Reproduktion im heutigen Kapitalismus. Energie ließe sich auf tausend andere Weisen gewinnen, aber Öl ist heute die Basis der Verwertung von Kapital. Der Run auf das Kaspische Meer hat nichts mit versiegenden Lagerstätten oder anderen »Grenzen des Wachstums« zu tun. Es sind die »Grenzen des Profits«, die das Interesse an Öl seit seiner Durchsetzung als zentralem Energieträger so eng mit Krieg und Gemetzel verbunden haben.

Die gesamte technologische Gestalt der Produktion und die Zusammensetzung der Arbeiterklasse ist heute damit verbunden, daß Anfang des letzten Jahrhunderts das Erdöl die Kohle als zentralen Energieträger abzulösen begann. Die beiden Weltkriege waren mit der Einführung von Panzern und Flugzeugen in die Kriegsführung der entscheidende Durchbruch für diese gigantische technologische Umstellung. Und mit der Zurückdrängung der Kohle entmachtete das Kapital einen Teil der Arbeiterklasse, der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den revolutionären Schrecken symbolisierte: die Bergarbeiter. Die sogenannte »fordistische« Phase des Kapitalismus - Autoproduktion, Massenverkehr, Fließbandfabriken - beruhte auf der schier unerschöpflichen Verfügbarkeit von Öl zu geringen Preisen. Im Unterschied zur Kohleförderung basierte die erdölgetriebene kapitalistische Industrie auf einer extremen räumlichen Spaltung zwischen Erdöl- und IndustriearbeiterInnen auf der Welt.

Nach 1973 und im Zusammenhang mit der Ökologie-Debatte wurde zwar immer wieder über Alternativen gegrübelt - nicht zuletzt deswegen, weil an die Stelle der Bergarbeiter ein erdölproduzierenden Proletariat getreten war, dessen Aufständigkeit zunehmend spürbar wurde. [13] Aber solange sich Öl in ausreichender Menge als Bestandteil des Kapitalkreislaufs nutzen läßt, wird es im Mittelpunkt bleiben [14] - zumal ein großer Teil des gesamten fixen Kapitals (Maschinerie, Transportfahrzeuge, Strom- und Wärmeerzeugung), das verwertet werden soll, an diese Energieform gebunden ist und gerade die Strategien der Auslagerung von Produktionsabschnitten an Zulieferfirmen und die Zerstreuung der Produktion auf dem Transport mit LKWs beruhen.

Aber wie bildet Öl einen Mittelpunkt des Kapitalkreislaufs? Im Kapitalismus sind Waren nicht einfach Waren, sondern Momente des Gesamtkreislaufs des Kapitals, der sich durch die Tauschvorgänge zwischen den Einzelkapitalen und zwischen Kapitalisten und Arbeitskräften hindurch vollzieht. Wichtig ist nicht nur die allgemeine Verfügbarkeit über billiges Öl, sondern auch die Möglichkeit, den Preis dieser zentralen Waren beeinflussen zu können. So war der erste »Ölpreisschock« 1973 kein Erpressungsmanöver der Ölscheichs, die es dem Westen mal zeigen wollten, sondern Bestandteil einer internationalen Krisenstrategie gegen die Arbeiterklasse - Abbremsen des Wachstums und zugleich eine gigantische Umverteilung von proletarischem Einkommen zum Profit. [15]

Der Preis der Ware Öl taucht auf allen Seiten der kapitalistischen Bilanzen auf: Öl ist selber eine kapitalistisch produzierte Ware, sie wird nicht nur aus dem Boden, sondern ebenso aus der Arbeitskraft des erdölproduzierenden Proletariats (damit bezeichnen wir die Gesamtheit an Arbeitskraft, die für die Ölproduktion benötigt wird, einschließlich der Dienstleistungs-, Transport- oder BauarbeiterInnen) herausgepreßt; sie verkörpert nicht nur Wert, sondern in erster Linie Mehrwert [16]. Daneben enthält sie auch Bestandteile des (fixen) Kapitals, das in Form von Explorationen, Bohrgerät, Pipelines usw. vorgeschossen wurde und durch den Verkauf der Ware wieder zurückfließen muß, damit die Verwertung dieser Kapitalien - im wesentlichen sind das heute einige große Multis - gelingt. Die Ölpreissteigerungen ab 1999 lagen im dringenden Interesse dieser Kapitalien, deren Profite und Investitionen in der Phase des billigen Öls in den 90er Jahren dramatisch abgesunken waren. [17] Sie standen aber im Gegensatz zu den Verwertungsmöglichkeiten des übrigen Kapitals, für das Öl ein Kostenfaktor ist, der seine Zusammensetzung bestimmt: ist Öl billiger, so können bei gleichbleibendem technologischen Verhältnis von Öl, Rohstoffen, Maschinerie und Arbeitskraft relativ mehr dieser anderen »Zutaten« des Produktionsprozesses gekauft werden, wobei es vor allem um die Ware Arbeitskraft geht, aus der allein Mehrwert herausgepreßt werden kann. Billiges Öl beschleunigt in diesen Sektoren die Akkumulation, Preiserhöhungen bremsen sie ab. Zudem bildet Öl einen großen Bestandteil der Reproduktionskosten der Arbeitskraft selber - Transport, Heizung und petrochemische Produkte machen heute einen großen Teil der proletarischen Ausgaben aus. Der Sommer 2000 hat weltweit gezeigt, wie hohe Ölpreise zu einem massiven Lohndruck seitens der Arbeiterklasse führen - in Europa waren die Regierungen mit der erschreckenden Perspektive einer gesamteuropäischen Kampfbewegung konfrontiert. [18] Umgekehrt hängen der Staatshaushalt und die sozialstaatliche Sicherung des Lebensstandards in Ländern wie z.B. Saudi-Arabien oder Rußland davon ab, daß der Ölpreis nicht zu tief fällt.

Die Bedeutung des Öls und seines Preise für die kapitalistische Entwicklung bewegt sich daher in Widersprüchen. Das Öl soll nicht »zu teuer« und »zu billig« sein, d.h. es soll den Bedürfnissen der konjunkturellen Zyklen der Weltwirtschaft angepaßt werden können. Das Öl und sein Preis können nichts an der Krisenhaftigkeit des Kapitals ändern, aber aufgrund seiner Zentralität bietet es einen wichtigen Hebel, um modifizierend in den Krisenverlauf und die Klassenkämpfe einzugreifen. Darin liegt der im einleitenden Zitat so selbstverständlich behauptete Unterschied zwischen Orangen und Erdöl: in seiner Bedeutung für den globalen Klassenkampf.

Aber was hat das alles mit Afghanistan zu tun, wo es noch nicht mal Öl gibt? Oder wir könnten fragen: Was mit Tschetschenien? Was mit Bin Laden?

Der saudische Ölpreis-Puffer funktioniert nicht mehr

Das strategische Bündnis der USA mit Saudi-Arabien seit dem Ende des II. Weltkriegs [19] beruhte darauf, daß dieses Land als idealer Lieferant von Erdöl zu den passenden Konditionen ausgemacht wurde: ein bevölkerungsarmes Land mit enormen Ölreserven, unter strikter Kontrolle eines feudalen Königshauses, das die einheimische, größtenteils noch beduinische Bevölkerung ruhigstellen und in der Ölproduktion vor allem migrantische Arbeitskraft ausbeuten und kontrollieren konnte. Wie kein anderes Land konnte Saudi-Arabien ohne große Probleme seine Ölförderung rauf- oder runterfahren und damit den globalen Ölmarkt beeinflussen. Der enorme Reichtum, den das Land vor allem nach den Ölpreiserhöhungen von 1973 erreichte, richtete sich keineswegs gegen die USA - im Gegenteil, es galt den USA als Hauptfinanzierer zur Unterstützung ihrer Politik. Es kaufte die modernsten Waffensysteme der US-amerikanischen Rüstungsfirmen und sprang überall auf der Welt als Geldgeber der US-Außenpolitik ein: für die afghanischen Mujaheddin, die Contras in Nicaragua, die Aufrüstung des Irak gegen den Iran nach 1979, den Golfkrieg der USA 1991 gegen den Irak. Zudem wurden die Petro-Dollars aus den Ölverkäufen zur wichtigsten Triebfeder der internationalen Finanzmärkte. Auf dem Weltölmarkt wurde Saudi-Arabien zum »swing-producer«, der mit extremen Produktionsschwankungen (von einem Maximum von 10 Mio. Barrel pro Tag 1981 bis zum Tiefststand von 3,5 Mio. 1985) den Ölpreis beeinflussen konnte. [20]

Seit Ende der 80er Jahre zeichnet sich ab, was dann Ende der 90er Jahre zur unabänderlichen Gewißheit wurde: Saudi-Arabien wird diese Rolle aufgrund von veränderten Klassenverhältnissen nicht länger spielen können. Daher diese martialische Jagd nach anderen Ölquellen, die sich in der Bombardierung Afghanistans genauso ausdrückt wie zuvor in den Massakern des russischen Militärs in Tschetschenien.

Saudi-Arabien konnte die Rolle als »swing-producer« spielen, weil es aufgrund seiner finanziellen Reserven (100 Mrd. Dollar im Jahr 1981) im Unterschied zu anderen Ländern Einnahmeverluste wegstecken konnte. Zur Beeinflussung des Ölpreises auf dem Weltmarkt und im Sinne der Weltkonjunktur konnte es seine Förder- und Exportmenge verändern, selbst wenn dies mit verringerten Einnahmen verbunden war. Diese Situation hat sich heute in ihr Gegenteil verkehrt: im Jahr 2000 war Saudi-Arabien mit über 150 Mrd. Dollar verschuldet, was das eigene Bruttosozialprodukt übersteigt. Die saudische Ölpolitik hatte klassenpolitisch auf einem »Sozialpakt« beruht, der den einheimischen Proletariern ein fast arbeitsloses Einkommen versprach, in der Produktion und Ölförderung extrem entrechtete Arbeitsmigranten ausbeutete und repressiv gegen jede Form von Opposition vorging. Aber die Öleinnahmen - abzüglich der hohen »Sonder-Ausgaben« (z.B. 26 Mrd. Dollar für den Irak im Krieg gegen den Iran und 55 Mrd. Dollar für die Bombardierung desselben Irak durch die USA und England) - hielten nicht Schritt mit den Kosten dieses »Sozialpakts«. Saudi-Arabien hat ein extrem hohes Bevölkerungswachstum von drei bis dreieinhalb Prozent jährlich. Anfang der 70er Jahre, als mit den Ölmilliarden der »Sozialpakt« entwickelt wurde, lebten etwa fünf Millionen Menschen im Land, heute sind es über 20 Millionen, davon 28 Prozent Ausländer.

Als der Ölpreis 1998 auf ein historisches Tief fiel, stand Saudi-Arabien kurz vor einer schweren Finanzkrise. Das Regime war gezwungen, den Ölpreis ohne Rücksicht auf die Weltkonjunktur des Kapitals nach oben zu drücken. Im März 1999 beschloß die OPEC eine Produktionskürzung von 2 Mio. Barrel pro Tag (wovon Saudi-Arabien ein Viertel übernahm), was zusammen mit dem unerwartet schnellen Ansteigen der Nachfrage aus Asien nach der Krise '97/98 zum starken Anstieg des Ölpreis führte und dem saudischen Regime eine kurze Verschnaufpause gönnte.

Die soziale Krise in Saudi-Arabien verschärfte sich aber weiter und führte zu heftigen Kämpfen innerhalb der herrschenden Elite - wovon die Bin-Laden-Fraktion nur ein Ausdruck ist. Mit der Politik der Terrorakte gegen US-amerikanische Ziele [21] (am 7. August 1998 die Botschaften in Kenia und Tanzania, am 11. September 2001 die Anschläge auf das WTC und Pentagon) zielt sie auf den inner-saudischen Machtkampf: durch die Zuspitzung einer Konfrontation zwischen »islamischer« und »westlicher« Welt soll der jetzt herrschenden Clique ihr wichtigster Verbündeter und ihre Stütze in den USA genommen werden. Den einheimischen Proletariern wird damit die Aufrechterhaltung des bisherigen »Sozialpakts« versprochen, der nur aufgrund der zu billigen Weggabe des Öls gefährdet sei.

Die Menschen, die am 11.9. Opfer der Anschläge wurden, waren genauso »Kollateralschäden« in diesem saudi-arabischen Machtpoker (der ähnlich auch in den anderen Ölförderländern im Nahen Osten stattfindet) wie die von Bomben getöteten Zivilisten in Afghanistan Opfer der Erschließung der kaspischen Ölvorräte und der Stabilisierung des saudischen Regimes wurden.

(Fortsetzung folgt)


Fußnoten:

[1] Die Untersuchung von Marc Herold liegt auf http://pubpages.unh.edu/~mwherold.

[2] Impact of U.S. Bombing Is Felt in Many Ways, Washington Post, 16.12.01.

[3] In den 80er Jahren hatten die USA den Mujaheddin für ihren Kampf gegen die Sowjetunion einige hundert Stinger-Rakten zukommen lassen. Nach 1992 versuchte die CIA erfolglos, die nicht eingesetzten Raketen zurückzukaufen.

[4] Nach Marc Herold. Dies ist in der Tat dieselbe Logik, die Bin Laden anführt, um Angriffe auf Zivilisten zu begründen: im Gegensatz zwischen "Islam" und "Westen" sei jeder ein Krieger. Wer wollte schon bestreiten, daß sie hin und wieder mit ihrer Regierung »sympathisieren«.

[5] In der Diskussion um den 11.9. und den Krieg gegen Afghanistan ist dieses Moment bisher nur von den »Materialien für einen neuen Anti-Imperialismus« hervorgehoben worden. Siehe »Antiterrorismus - die Politik sozialer Feinderklärung« und »Ökonomie des Krieges? Krieg der Ökonomie« auf www.materialien.org.

[6] Eine der wenigen Darstellungen der sozialen Prozesse in Afghanistan findet sich bei Barnett R. Rubin: The Political Economy of War and Peace in Afghanistan, Sweden, 21 June 1999.

[7] Diese modernen Formen von Kriegsökonomie sind keineswegs auf Afghanistan beschränkt, sondern finden sich ähnlich überall dort, wo aus den Strategien des »low-intensity-warfare« als Eindämmungspolitik lokale Kriegsherren (warlords) entstanden sind, deren Macht vor allem auf ihrem Kontakt zum Weltmarkt über Waffen, Erdöl, Edelsteine oder Rauschgift beruht. Siehe z.B. Michael Bollig: Zur Ökonomie des Krieges: Die Gewalt und die Geschäfte der afrikanischen Warlords, in: Frankfurter Rundschau, 9.1.2001.

[8] Ahmed Rashid: Die Taliban. Aghanistans Gotteskrieger und der Dschihad, 2001, S. 292.

[9] Siehe Sean Gervasi: Why is Nato in Yugoslavia? 1996 (im Reader zum Kosovo-Krieg), und: Geopolitische Aspekte des Kriegs in Jugoslawien, in Wildcat-Zirkular 50/51, Mai/Juni 1999. Im Hintergrund stand schon damals ein Pipelineprojekt zur Weiterleitung des Öls vom Kaspischen Meer über den Balkan nach Westeuropa.

[10] Von Anfang war klar, daß es eine Zeit dauern würde, bis die internationalen Ölmultis hier ihre Claims sicher abstecken könnten: zum einen wurde keine schnelle Lösung der Fragen der Eigentumssicherung, des Abzugs der Profite und der sozialen Stabilität, d.h. der Regulierung des Klassenkampfs, erwartet, zum zweiten blieb sowohl am Kaspischen Meer wie in Sibirien die Frage des Transports offen. »Das ist ein Marathon und kein Sprint«, stellte ein Ölmanager 1991 fest (Why Soviet Oil Wells Won't Be Gushing Soon, Business Week, 9.9.1991).

[11] Siehe: Gregory Gause III: Saudi Arabia - Over a Barrel, in: Foreign Affairs, May/June 2000, und George Caffentzis: Warum diese Verzweiflung? in diesem Zirkular, Beilage.

[12] Why the West may come up empty in the World's biggest Oil Patch, Business Week v. 30.5.1994. Die Route durch Afghanistan findet in diesem Artikel noch gar keine Erwähnung.

[13] Siehe Thekla 14, 17; Wildcat Nr. 54, 55 und 57.

[14] Zwischen 1970 und 1998 ist der Bestandteil von Erdöl und -gas am Weltenergieverbrauch zwar leicht zurückgegangen, beträgt aber immer noch 60,7 Prozent (35,0 Öl, 25,7 Gas) mit aktuell wieder steigender Tendenz - im Vergleich zu 64,8 (45,3 Öl, 19,5 Gas) im Jahre 1970. Dieser Rückgang beruht aber fast ausschließlich auf der Zunahme der Kernenergie von 0,1 Prozent 1970 auf 7,4 Prozent 1998, deren Anteil aktuell wieder abnimmt; der Anteil der Kohle ist weiter von 32,9 auf 28,7 Prozent zurückgegangen; eine leichte Zunahme hat es bei alternativen Energieträgern wie Wasserkraft usw. von 2,2 auf 3,2 Prozent gegeben. (Nach »Yearbook of World Energy Statistics« der UN).

[15] Siehe z.b. Der Energiesektor als strategischer Sektor im Klassenkampf, Autonomie/NF Nr. 11, in: Thekla 14.

[16] Theoretisch betrachtet verkörpern Waren überhaupt nur Wert, weil sie Momente des Kapitalkreislaufs, also Träger von Mehrwert sind; die Wertform der Ware unterstellt ihr Fungieren als Kapitalpartikel.

[17] Big Oil's Priority: Pump Up the Stock Prices, Business Week v. 25.9.2000.

[18] Siehe Wildcat-Zirkular 58, Dezember 2000.

[19] Michael T. Klare: Die Geopolitik des Krieges, in: SoZ Nr. 24, 22.11.2001 (übersetzt aus: The Nation, 5.11.2001)

[20] Siehe Gregory Gause III, a.a.O.

[21] Oder des positiven Bezugs auf solche Anschläge, von denen wir vielleicht nie erfahren werden, wer sie wirklich verübt hat.


[Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] Zirkular: [Nr. 61] [Ausgaben] [Artikel]