Wildcat-Zirkular Nr. 62 - Februar 2002 - S. 42-54 [z62wertk.htm]


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»Neue Deutsche Wertkritik« -

Marxismus in Zeiten des Neoliberalismus

In den 90er Jahren hat sich in der deutschen Linken eine Kapitalismuskritik verbreitet, die sich als »wertkritisch« bezeichnet und als die radikalste Kritik an den Verhältnissen ausgibt. Nach Seattle, Prag usw. geht es heute wieder mehr Leuten um eine radikale Kritik an der gesamten Gesellschaft. Bei der Suche nach den theoretischen Werkzeugen stoßen sie hierzulande als erstes auf diese »Wertkritik«. Sie führt aber in eine Sackgasse, weil sie selber in den Mystifizierungen der »Marktwirtschaft« oder der »Warengesellschaft« gefangen bleibt, die in den letzten zwanzig Jahren von der Ideologie des Neoliberalismus wieder erfolgreich etabliert worden sind. Wenn der Neoliberalismus den Markt und die Verwandlung von allem in Ware als Heilmittel anpreist, dann dreht die »Wertkritik« dieses Argument nur herum und meint, mit der Kritik der Ware schon den Kapitalismus erledigt zu haben - ein Schicksal, das sie mit der Warenkritik der Situationisten teilt, die in den letzten Jahren auch wieder auf neues Interesse stoßen (siehe dazu die Beiträge in diesem Heft). Vor allem aber ist die »Wertkritik« eine praktische Sackgasse, weil ihre theoretische Kritik bedeutungslos bleibt für das, was wir tun und wie wir leben. Sie kann sich darauf beschränken, eine radikale »Haltung« oder »Attitüde« zu sein.

»Wertkritik« wurde zunächst von einzelnen Gruppen wie »krisis« oder ISF (Freiburg) vertreten, ist aber mittlerweile als Anspruch oder Jargon in vielen Publikationen zu finden und zu einer Art Eintrittskarte für »radikal« geworden. Ihr theoretischer Kern besteht darin, daß in Abwendung vom »Arbeiterbewegungsmarxismus«, der aus dem Marxismus eine Theorie des Verteilungskampfs zwischen den gegensätzlichen Interessen von Arbeiterklasse und Kapital gemacht hat, der Warencharakter der Produkte und ihr Wert in den Mittelpunkt der Kritik gestellt werden. Der »Wert« gilt dabei als die Basis des gesellschaftlichen Zusammenhangs (»Wertvergesellschaftung«), während der Klassencharakter der Gesellschaft als bloßes Phänomen der Konkurrenz innerhalb der Marktlogik behandelt wird.

Ironisch-polemisch bezeichnen wir dieses Denken als »Neue Deutsche Wertkritik« (NDWK) in Anspielung auf die »Deutsche Ideologie« von Marx, in der er gegen eine idealistische »kritische Kritik« polemisierte, wie sie typisch für die Linksintellektuellen in Deutschland war. Darin liegt eine Parallele zur heutigen »Wertkritik« in Deutschland, deren Konzept von »Kritik« immer schon über den Verhältnissen steht und als »kritische Kritik« nur sich selbst gefällt. Sie wähnt sich außerhalb der Verhältnisse und bleibt gerade deswegen in den falschen Vorstellungen gefangen, die diese Gesellschaft produziert.

Im folgenden wollen wir uns nicht mit dieser oder jener besonderen Variante von »Wertkritik« auseinandersetzen (zu Krisis siehe Zirkular 54 und 56/57), sondern zeigen, warum diese »Wertkritik« keine Kritik des Werts ist, die Fehler des Arbeiterbewegungsmarxismus nicht überwindet, sondern sie von einem anderen Standpunkt aus wiederholt. Dabei geht es nicht um irgendwelche besonderen Theoreme der »Wertkritik«, sondern um Mystifikationen, wie sie den Kapitalismus tagtäglich begleiten.

Die Totalität des Kapitalismus stellt sich zunächst so dar, daß alle Dinge und Beziehungen zur Ware werden - und das bietet schon genug Anlaß zur Kritik und Entrüstung über die entfremdeten Verhältnisse. Aber die Warenform erklärt uns nicht, warum die Verhältnisse so sind und wo der Ansatzpunkt ihrer Umwälzung liegen kann. Das Rätselhafte der Warenform besteht eben darin, daß sie die wirklichen Zusammenhänge und Grundlagen des Kapitalismus verdeckt. Sie ist ein Moment von Entfremdung und sie ist zugleich ein dichter Nebel, der uns die Kritik der Verhältnisse und ihre Überwindung verbaut. Es ist daher kein Wunder, daß die »Wertkritik« nur zwei gleichermaßen praxislose Auswege aus diesem Dilemma weiß: entweder überläßt sie die Umwälzung der Verhältnisse einer objektiven Gesetzmäßigkeit des ökonomischen Zusammenbruchs (Krisis), oder sie gefällt sich in kulturellem Pessimismus, der alle Praxis als das »Falsche« denunziert.

Die Warenform ist nicht das Ganze der kapitalistischen Gesellschaft und der Wert ist nicht der Universalschlüssel zu ihrer Kritik. Er ist der falsche Ausdruck für eine historisch besondere und widersprüchliche Weise der gesellschaftlichen Reproduktion des Lebens, und er kann nur im Zusammenhang mit diesen historischen, keineswegs ewigen Formen verstanden werden. Heute fallen uns viele dieser Besonderheiten nicht mehr auf, sie springen nicht ins Auge, sondern sind zu Normalitäten banalisiert worden. Die folgende historische Skizze soll daher keine »historische Herleitung« des Kapitalismus darstellen, sondern die Besonderheiten des Kapitalismus umreißen, die auf den Zusammenhang zwischen Warenform (Wert) und Produktionsweise hinweisen. Daran zeigt sich, daß etwas wie Wert als Kategorie und als wirkliches Verhältnis nur existieren kann unter den Bedingungen einer Produktionsweise, die auf dem Gegensatz der Produzenten zu ihren eigenen Produktionsbedingungen und dem Gegensatz zu ihrer eigenen Gesellschaftlichkeit beruht - auf Verhältnissen, die die Warenform notwendig mit einschließen und die zugleich hinter dieser Warenform verschwinden.

1. Die historische Herausbildung des Wertbegriffs

»Wert« ist kein besonderer Begriff der Linken oder der Marxisten, sondern zunächst mal eine Kategorie des Denkens in der kapitalistischen Gesellschaft. Obwohl die bürgerliche Ökonomie sich von einer besonderen Werttheorie verabschiedet hat, kommt sie in ihren Beschreibungen nicht ohne diesen Begriff aus (»Wertschöpfung«, »Wertpapiere«, »Wertberichtigung«, »Wertanalyse« usw.). Die Diskussionen über den Wert und die Herausbildung einer besonderen Wissenschaft der »Wertphänomene«, der politischen Ökonomie, vollzieht sich etwa seit Beginn des 18. Jahrhunderts und findet ihren Abschluß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

In diesen Diskussionen gerät mehr und mehr ein völlig neuer Gegensatz ins Blickfeld. Alltagssprachlich wurde und wird »Wert« sowohl für eine subjektive Wertschätzung im Sinne der Nützlichkeit verwandt wie für eine objektive Zuschreibung eines abstrakten, geldlichen Werts. Die Unterscheidung zwischen Wert und Reichtum, zwischen Tauschwert und Gebrauchswert, zwischen einer abstrakten Wertgröße und der Fülle stofflichen Reichtums bildet sich in diesem Zeitraum allmählich heraus, wobei beide Seiten immer wieder durcheinandergeworfen werden. Denn sie existieren nur zusammen, in einer widersprüchlichen Einheit: etwas, was einen Wert in Geld ausgedrückt hat, muß auch irgendeine Nützlichkeit haben. Die Streitfragen sind z.B.: welche Gesellschaft oder Nation ist reicher, diejenige, die viele Güter produziert, oder diejenige, die über viel Geld verfügt?

Im historischen Prozeß trennen sich beide Seiten und treten schließlich in scharfen Gegensatz zueinander. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts tritt der Gegensatz schlagend in den ersten industriellen Krisen hervor: Menschen hungern, nicht weil wie in früheren Agrarkrisen zu wenig Lebensmittel produziert worden sind, sondern weil zuviele produziert worden sind, die daher nicht mehr den erforderlichen Wert - als Preis - auf dem Markt erzielen. Heute haben wir uns an diese Paradoxie der kapitalistischen Krise gewöhnt. Damals war sie der schlagende Ausdruck dafür, daß Reichtum auf einmal zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen haben konnte.

Der Begriff des Werts, in seiner scharfen Abgrenzung zum Gebrauchswert, unterstellt einen historischen Prozeß, in dem diese beiden Größen in einen wirklichen Gegensatz zueinander geraten sind. Erst dann kann dieser Gegensatz auch im Kopf festgehalten und bestimmt werden. Begriffe wie »Wert« sind gesellschaftlich gültige, objektive Gedankenformen - sie enthalten nicht einfach eine falsche Vorstellung von der Welt, sondern drücken wirkliche Verkehrungen aus. Einmal etabliert, läßt sich der Begriff des Werts schon an der Ware als der elementaren Form dieser gesellschaftlichen Widersprüchlichkeit »entdecken« - vorausgesetzt und bewußt-unbewußt mitgedacht ist dabei aber immer dieser historische und praktische Trennungsprozeß.

Im Alltag und in den pragmatisch orientierten Wissenschaften verschwindet die menschliche Praxis als Grundlage, die uns überhaupt Begriffe so oder so bilden läßt; wir brauchen nicht zu wissen, warum wir mit Abstraktionen wie »Wert« oder »Arbeit« hantieren können, wir tun es. Solche Abstraktionen geraten uns zu naturhaften Kategorien, wir nehmen sie als gegeben hin. Kritik bedeutet, diese naturhaften Kategorien wieder auf das zurückzuführen, woraus sie entstehen: auf menschliche Praxis. Es gilt ihren Zusammenhang mit dem, was wir tun, aufzuzeigen, statt unser Tun aus diesen Kategorien zu erklären. Wenn in der Neuen Deutschen Wertkritik von »Wertvergesellschaftung« oder »Warensubjekten« gesprochen wird, dann liefert sie damit keine Kritik der Kategorien, sondern reproduziert ihren Schein der Naturhaftigkeit, indem sie die wirklichen Verhältnisse aus diesen Kategorien erklärt, statt aufzudecken, wie sie in einer bestimmten menschlichen Praxis gründen. Der Wert ist Bestimmung von Reichtum - aber verrückterweise im Gegensatz zu dem, was für die Individuen unmittelbar Reichtum bedeutet, nämlich die Verfügung über die angenehmen Dinge des Lebens und Glück. Wert ist ein abstrakter Reichtum, der vom Elend der Menschen abstrahieren und sich trotzdem als Reichtum ausgeben kann. Was sind die historischen Besonderheiten in der Produktion und Reproduktion unseres Lebens, die eine solche Verrücktheit überhaupt möglich machen?

2. Kapitalistische Produktionsweise und Wert

Waren und Geld gibt es sehr viel länger als den Kapitalismus, aber erst mit der Entwicklung des Kapitalismus, um genauer zu sein: des industriellen Kapitalismus, rückt der Begriff des Werts ins Zentrum der Diskussionen. Dies ist bereits ein Hinweis darauf, daß es nicht ausreichen kann, die Kategorie des Werts an Ware oder Geld festzumachen. Im Gegenteil, Abstraktionen wie Tausch, Ware oder Geld abstrahieren gerade davon, was der jeweilige historische Inhalt dieser Kategorien ist, also was das Bestimmte dieser Abstraktion ist. Wir sprechen zwar von Geld im Mittelalter so gut wie von Geld heute, aber die dahinterstehende Praxis ist eine völlig andere - und auch das jeweilige Geld! Waren in vorkapitalistischen Gesellschaften haben einen Tauschwert, aber keinen Wert. Es herrscht dort kein »Wertgesetz« als regulierendes Prinzip der Produktion, die von ganz anderen Verhältnissen bestimmt wird.

Der große Umschlagprozeß, der vom Anfang des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa und Amerika zur Verallgemeinerung der Warenform und zur Herausbildung des Werts führt, ist mit drei eng verzahnten »Revolutionen« verbunden, die ihren Ausgangspunkt in England haben: einer kommerziellen Revolution Anfang des 18. Jahrhunderts, die im Scheitern des Lawschen Bankexperiments und im Platzen der ersten großen spekulativen Blase, dem Südseeschwindel, 1719/20 endet, aber ihre Spuren hinterläßt; der englischen Agrarrevolution von etwa 1700 bis 1750; und der von ihren Resultaten ausgehenden industriellen Revolution ab 1770/80.

Es geht hier nicht um irgendeine historische Logik, es gibt keine Zwangsläufigkeit der Prozesse. Es ist das, was in einer recht einmaligen und teilweise rätselhaften Konstellation passiert ist; was die Menschen getan haben. Von heute aus können wir darin die historischen Voraussetzungen des weltweiten Kapitalismus erkennen, aber daraus ergibt sich keine Kausalität oder ein Determinismus. Dieser Prozeß hat noch weiter zurückliegende Voraussetzungen, vor allem die Herausbildung eines Weltmarkts seit dem 16. Jahrhundert - aber keine dieser vielfältigen Voraussetzungen kann für sich logisch erklären, warum es dann seit dem 19. Jahrhundert, ausgehend von einem singulären Prozeß in England, zur Dominanz und Durchsetzung des Kapitalismus kommt oder hätte kommen müssen. Geschichte besteht darin, daß die Menschen über das Vorgefundene hinausgehen, sich selber zusammen mit den Umständen verändern - was sich dem Schematismus von Ursache und Wirkung entzieht.

Agrarrevolution: gesellschaftlicher Reichtum an Lebensmitteln und Armut als Proletariat

Durch die Einführung neuer Methoden, Geräte und Fruchtsorten im Ackerbau wird die Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit in England zwischen 1700 und 1750 in einem Maße gesteigert, wie es in davorliegenden Jahrtausenden nicht geschehen war. Erstmals in der Menschheitsgeschichte entsteht eine Situation, in der nicht mehr 80 Prozent der Bevölkerung mit der unmittelbaren Produktion ihrer Lebensmittel beschäftigt sind, sondern »freigesetzt« werden für andere Formen der Produktion. Diese Freisetzung bedeutet vor allem, daß sie von ihren unmittelbaren Produktionsbedingungen, dem Boden, gewaltsam getrennt werden. Die Agrarrevolution umfaßt zwei sich ergänzende Momente: die Steigerung des Ertrags durch grundlegend neue Methoden und Werkzeuge und die Vertreibung eines Teils der Produzenten von ihrem Boden. So wie im übrigen Westeuropa hatten sich die englischen Bauern aus der Leibeigenschaft befreien zu können. Sie waren stark genug, diese Freiheit zu verteidigen, aber sie waren zu schwach, um den Besitz am Boden als Mittel ihrer Subsistenz zu behalten. Mit den Einhegungen (enclosures) von gemeinschaftlich genutztem Boden werden sie zu Proletariern - frei, aber mittellos. Der Reichtum der gesteigerten landwirtschaftlichen Produktion (England wird damals zu einem der größten Exporteure für Korn in Europa) steht ihnen fremd gegenüber.

Industrielle Revolution: die Macht der toten Arbeit

Diese Trennung bildet die Basis der industriellen Revolution, die vor allem bedeutet, daß die Produktivität zunehmend von vergangener Arbeit abhängig wird. Maschinen und Fabriken zu bauen bedeutet für eine Gesellschaft, einen beachtlichen Teil des jährlichen Gesamtprodukts dem Jahreskonsum vorzuenthalten, ihn gewissermaßen »aufzusparen«, in der Hoffnung auf eine Steigerung der Produktion in der Zukunft. Damit entsteht auch eine neue und ausgeweitete Form der Arbeitsteilung: die Landwirtschaft produziert Lebensmittel und Rohstoffe für die Industrie und die in ihr Arbeitenden, die Industrie produziert Hilfsmittel und Werkzeuge für die Landwirtschaft und wiederum für die Entwicklung der Industrie, und vor allem werden völlig neue Güter produziert, historisch vor allem Baumwollstoffe und Gerätschaften aus Eisen. Während in Agrargesellschaften die Produktion für den eigenen Bedarf (Subsistenz) dominiert, tritt nun die Produktion für andere in den Vordergrund. Es entsteht eine allseitige, von Anfang an weltumspannende Abhängigkeit der einzelnen Produktionen in einem umfassenden System der Arbeitsteilung. Die Produktion wird erst jetzt gesellschaftlich im modernen Sinne des Wortes, aber diese Gesellschaftlichkeit existiert in einer doppelt widersprüchlichen Form.

Geld als abstrakter Ausdruck der Gesellschaftlichkeit der Arbeit

Die Arbeit wird zu einer Totalität von Arbeiten, die alle zusammenhängen, aber es ist keine gemeinsame Arbeit, sondern nur ein durch die Arbeitsteilung und die allseitige Entäußerung (den Verkauf) der Produkte vermittelter Zusammenhang. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit des gesellschaftlichen Charakters der Produktion kann sich ihre Gesellschaftlichkeit nur als abstrakte Allgemeinheit ausdrücken, als Geld. In Bezug auf die Totalität der arbeitsteiligen Arbeiten wird Geld zur unmittelbaren und notwendigen Existenzweise der gesellschaftlichen Arbeit. In diesem Gesamtzusammenhang erhalten die jeweiligen Arbeiten eine doppelte Bedeutung: sie sind zugleich konkret nützliche Arbeiten und bloßer Teil dieser Totalität der Arbeit, d.h. abstrakt menschliche Arbeit.

In dieser zweiten Eigenschaft ist die Arbeit Grundlage von Wert. Auch wenn es Geld schon Tausende Jahre lang gegeben hatte, erst mit dieser Vervielfältigung der Produkte, mit der Produktion neuer Bedürfnisse und der Abhängigkeit dieser Bedürfnisse wie der gesamten Reproduktion vom weltumspannenden System der Arbeitsteilung wird Geld zum Ausdruck von abstrakter Arbeit, zum Wertausdruck. Das Geld drückt beides aus: den Zugriff auf diesen potentiellen und unbeschränkten Reichtum, der erst durch die neue Produktionsweise möglich geworden ist (darin liegt seine Faszination) - und das Entfremdete, Gesellschaftlich-Ungesellschaftliche, Isolierte, Getrennte dieser Art zu produzieren, wodurch das Geld bzw. dessen Fehlen zugleich die Abtrennung und den Ausschluß von diesem Reichtum darstellt. Das Geld verursacht nicht die gesellschaftlichen Widersprüche, sondern es sind diese Widersprüche, die dem Geld seine scheinbar übernatürliche Macht verleihen.

Aber wie und in welcher Form findet die Produktion in diesem widersprüchlichen, arbeitsteiligen Zusammenhang statt? Die Idylle der »einfachen Warenproduktion«, in der individuelle Produzenten ihre Produkte tauschen, hat es als Gesellschaftssystem nie gegeben. Wo massenhafte Warenproduktion beginnt, basiert sie immer schon auf dem Gegensatz der Produzenten als Proletarier zu ihren Produktionsbedingungen. Juristisch stellt sich dieser Gegensatz als »Privateigentum« an den Produktionsmitteln auf der einen Seite und als die Figur der »freien Lohnarbeiter« auf der anderen Seite dar - was sich noch abstrakter zum »freien Individuum« und seinen Menschenrechten verflüchtigt, das die Befreiung von unmittelbaren, mit der Verfügung über Boden verbundenen Abhängigkeitsverhältnisse ausdrückt und zugleich die neuen quasi-sachlichen Abhängigkeiten aufgrund der Abtrennung von den neuen, industriellen Produktionsbedingungen verschleiert. Was aber hinter diesen juristischen Formen liegt, ist der widersprüchliche Charakter der Gesellschaftlichkeit der Arbeit: einerseits in einer allseitigen Abhängigkeit von einer (heute globalen) Totalität von Arbeiten zu stehen, andererseits sich (noch) nicht kollektiv, gemeinschaftlich auf diese Produktion beziehen zu können, d.h. von der eigenen Produktion beherrscht zu werden, statt sie zu beherrschen.

Kapital als Existenzweise einer widersprüchlichen Vergesellschaftung

Das zweite Moment von Widersprüchlichkeit, das von Anfang an mit der Produktionsweise verbunden ist, auf der die Verallgemeinerung der Warenform beruht, ist die Verselbständigung des Werts gegenüber der Arbeit, aus der er herkommt. Als Wert ist die abstrakte Arbeit schon vergegenständlichte Arbeit. Das Besondere der neuen Produktionsweise, wie sie sich mit der industriellen Revolution durchsetzt, liegt darin, daß diese vergegenständlichte Arbeit nicht einfach konsumierbaren Reichtum darstellt, sondern selbst wieder als Maschine und Fabrik zur wesentlichen Grundlage der Reichtumsproduktion und ihrer Steigerung wird. Die ursprüngliche Trennung vom Boden, die immer umkämpft blieb, entwickelt sich dadurch zu einer viel drastischeren Abtrennung: nämlich vom eigenen gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem der Reichtum unermeßlich gesteigert wird. Es sind nicht mehr die Naturbedingungen der landwirtschaftlichen Produktivität, von denen wir abgetrennt sind, sondern es ist »produzierte Produktivkraft« und unser eigener Zusammenhang, der uns feindlich gegenübersteht. In die Reproduktion jeder Gesellschaft fließt vergangene Arbeit ein, aber hier wird die vergangene, tote Arbeit zum ersten Mal zum kalkulierten Faktor einer beschleunigten Steigerung der Produktion. Die tote Arbeit, der Wert, wird zum Zweck und Inhalt des Produzierens - zu Kapital. Der Inhalt des Produzierens ist nicht einfach Wert, sondern Verwertung. Der Wert, wie er sich im Geld ausdrückt, ist nur eine dinghafte Fixierung dieses Prozesses der Verwertung. Außerhalb dieses ständigen Prozessierens des Werts, d.h. der Verwertung, kann Wert nicht existieren.

Wert als besondere Form des Reichtums, die dem Reichtum der guten Dinge des Lebens entgegensteht, taucht überhaupt erst da auf, wo sich dieser Umschlagprozeß vollzieht. Die Kategorie des Werts unterstellt schon seine Verselbständigung, seinen Gegensatz gegen die lebendige Arbeit, und damit den Gegensatz der toten Arbeit als Kapital gegen die Proletarier. Und so wie Wert nur als Kapital existiert, das sich abwechselnd als Geld, Ware oder Produktionsmittel darstellt, so existiert auch die abstrakte Arbeit nur unter den Bedingungen der Ausbeutung, d.h. der Unterordnung der Arbeit unter die Verwertung des Kapitals.

Aber als Wert ist sie schon vergegenständlichte Arbeit. Und daß diese vergegenständlichte Form der abstrakten Arbeit als Wert auftritt, unterstellt einen bestimmten Gegensatz zwischen vergegenständlichter und lebendiger, prozessierender Arbeit, ohne den die Kategorie Wert gar nicht auftauchen könnte. Nun wird auch klar, warum stofflicher und abstrakter, geldlicher oder wertmäßiger Reichtum im Verlauf des 18. Jahrhunderts in Gegensatz zueinander treten: weil sich die Produktionsbedingungen als Kapital, als tote Arbeit den Produzenten gegenüber verselbständigen und ihre eigene Kategorie von Reichtum, nämlich Wert, dem stofflichen Reichtum gegenüberstellen. Maßstab für Reichtum ist nicht das gute Leben der Menschen, sondern die Nützlichkeit für diesen Verwertungsprozeß, dem alles untergeordnet wird.

Kapital als verdinglichter Ausdruck des Klassenverhältnisses

Kapital ist also kein Ding, sondern ein Verhältnis, genauer: ein prozessierendes Verhältnis, der beständige Prozeß der Abtrennung und der Gegensätzlichkeit zwischen Proletariern und Produktionsbedingungen. Diese Abgetrenntheit stellt sich zwar als sachliches Verhältnis dar, aber sie kann nur als gesellschaftliche Gegensätzlichkeit, als Klassenverhältnis existieren. Das Kapitalverhältnis setzt die Existenz einer Klasse eigentumsloser Proletarier voraus, wie auf der anderen Seite die abgetrennten, verselbständigten Produktionsbedingungen nicht ohne den bewußten Willen der Kapitalisten existieren können. Mit der Neuen Deutschen Wertkritik ist es Mode geworden, die Bedeutungslosigkeit des Klassengegensatzes mit dem Spruch zu begründen, »Klasse« sei lediglich eine aus den allgemeinen Begriffen wie Wert und Kapital »abgeleitete Kategorie« und bleibe völlig innerhalb der Gesetzmäßigkeiten des Kapitals. Solches Denken betet den Fetischismus der Ware und des Kapitals nach, der aus den Verhältnissen selber resultiert und die wirklichen Zusammenhänge nur in verdrehter Form zum Ausdruck bringen kann. Der dinghafte Schein wird so weit zum Glauben an die Dinge (Wert und Kapital) getrieben, von denen unhinterfragt und unkritisch ausgegangen wird, daß alle Verhältnisse der Menschen in der Produktion ihres Lebens als bloße Reflexe eines transzendentalen Dings erscheinen. Begriffe wie Wert oder Kapital ließen sich nicht einmal im Kopf festhalten, wenn die Gegensätzlichkeit, der Antagonismus des Klassenverhältnisses nicht schon unterstellt wäre.

Die Betrachtung der Welt durch die neoliberale Brille der »Marktwirtschaft«, der sich die Neue Deutsche Wertkritik angeschlossen hat, bringt es mit sich, daß bei der Kritik der Warenform vom Inhalt dieser Form abstrahiert wird. Was in der Ware durch den Tausch gegen Geld zirkuliert, ist nicht einfach Wert, sondern wesentlich Mehrwert. Als allgemeine Form des Reichtums ist die Ware kapitalistisch produzierte Ware. Ihre Produktion wie ihr Tausch sind der Verwertung untergeordnet. Ware und Geld sind nur verwandelte Formen von Kapital, das durch diese Zirkulation hindurch seinen Wert nicht nur erhält, sondern vermehrt. Gerade weil der Bezug auf den gesellschaftlichen Reichtum nur über die Warenform erfolgt, stellt sich die Zirkulation als eine von der Produktion völlig getrennte Sphäre dar, die scheinbar für sich betrachtet werden kann. Die Neue Deutsche Wertkritik kritisiert am Marxismus der Arbeiterbewegung, daß er die Zirkulation nur quantitativ als Verteilungsproblem betrachtet und betont mit der Warenform ihre qualitative Seite. Aber beiden ist gemeinsam, daß sie die Zirkulation isoliert betrachten und den Produktionsprozeß ausblenden. Mit der Warenform und der Tauschförmigkeit des Verhältnisses zwischen Kapital und Lohnarbeit meint die »Wertkritik«, schon alles über die Produktion gesagt zu haben. Das erinnert an das Verfahren der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre und ihrer Gleichgewichtsmodelle, in denen die Fabrik eine »black box« ist, in der sich in mystischer Weise die getrennt gedachten Produktionsfaktoren »Kapital« und »Arbeit« zum Wohle des Bruttosozialprodukts vereinigen.

Die Fabrik als die Realität der Wertbestimmung

Die Verallgemeinerung der Warenform beruht auf der industriellen Produktion, in der sich die Produktionsbedingungen als tote Arbeit, als verselbständigter Wert, den Produzenten gegenüberstellen. Die gesellschaftliche bestimmende Form dieses Gegensatzes ist die Fabrik mit ihrem despotischen Kommando und der Unterordnung der einzelnen Arbeitskräfte unter einen maschinellen Komplex. Entscheidend für diese Umwälzung ist nicht, daß die Mehrheit der Arbeit zur Fabrikarbeit wird - was historisch noch nie der Fall war -, sondern daß alle anderen Produktionen von der industriellen Fabrikproduktion abhängig und in ihr System eingegliedert werden. Die gesellschaftliche Arbeit wird hier ganz handgreiflich »abstrakte« Arbeit, und hier realisiert sich erst die Bestimmung des Werts als Ausdruck abstrakt menschlicher Arbeit. Die bestimmte Arbeit wird den Produzenten gleichgültig und verhaßt, und die Entwicklung der Produktion beruht auf dem ständigen Wechsel zwischen verschiedenen besonderen Arbeiten, die alle nur als verschiedene Verausgabungen gleicher, durchschnittlicher Arbeit gelten. Die Fabrik beruht nicht auf besonderer Arbeit, sondern auf Arbeit schlechthin.

Die Geschichte der Fabrik ist die Geschichte der beständig erneuerten Unterwerfung der Proletarier unter das Kapitalkommando und des ständigen Konflikts um die Abpressung von Arbeit. Sie beginnt historisch mit der Ausbeutung von Frauen und Kindern, weil zunächst nur diese unter Rückgriff auf die gesellschaftliche Hierarchie den Arbeitsbedingungen der Fabrik unterworfen werden können - das gilt bis heute für alle neuen Industrien auf der Welt, z.B. in Asien oder Lateinamerika.

Während auf der Ebene der Zirkulation, im Austausch von Arbeitskraft gegen Geld (Lohn), der Eindruck der Gerechtigkeit und der Harmonie erweckt werden kann, findet innerhalb der Produktion der »Konsum der Arbeitskraft« statt: Verwandlung von Arbeitskraft in Arbeit, Aneignung fremder Arbeit durch das Kapital, Unterordnung unter die abgetrennten Produktionsbedingungen. Die Abgetrenntheit muß ständig neu reproduziert werden, und der ganze despotische, knechtende Charakter des Produktionsprozesses, mit all seinen Zwängen, Vorschriften, Disziplinierungen, Aufsehern und Strafen, ist die notwendige Existenzweise dieser Abtrennung. Maschinerie und Technologie sind in ihrer konkreten Gestalt selber Methoden und Mittel der Unterwerfung, der despotische Charakter des Kapitalkommandos ist ihrer konkreten Gestalt eingeschrieben. Die Geschichte der Technologie folgt nicht einem abstrakten und neutralen Kriterium der Produktivitätssteigerung, sondern ist immer mit ihrer Rolle als Beherrschungstechnologie verbunden. Sie folgt dem Prinzip der Zerstückelung der Arbeit zum Zweck ihrer Kontrollierbarkeit.

Trotzdem läßt sich das Fabrikkommando nicht einfach als Technik der Disziplinierung begreifen, es bewegt sich in einem unlösbaren Widerspruch. Die Fabrik ist nicht bloße Disziplinierung, sondern sie muß die Gesellschaftlichkeit der Arbeit, den allseitigen Zusammenhang der Arbeiten, immer weiter entwickeln, um den Zweck der Kapitalverwertung zu erfüllen. Mit denselben Mitteln, mit denen sie die lebendige Arbeit unterwerfen will, schafft sie damit beständig Mittel, die die destruktive Macht der Arbeiterklasse in ihrem Gegensatz zur Abpressung der Arbeit steigern. Historisch ist dies kein gradliniger Prozeß, sondern er verläuft in Zyklen der ständigen Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse und ihrer Kämpfe. Dementsprechend wird die widersprüchliche Einheit von Disziplinierung und Arbeitermacht je nach historischer Phase nach der einen oder anderen Seite hin vereinseitigt. Das Festhalten an dieser Einheit gegensätzlicher Momente kann auch nicht die konkrete Untersuchung ihrer Entwicklung ersetzen, aber ohne diese kritische Begrifflichkeit wird die Untersuchung nicht über empirische Bestandsaufnahmen hinauskommen.

3. Zusammenfassung: Der Schein der Marktwirtschaft

Der allgemeine Zwang zu kaufen und damit die Verallgemeinerung der Warenform kommen nicht aus »der Ware« als solcher hervor, sondern aus der Abtrennung und Gegensätzlichkeit der Produktionsbedingungen gegenüber den Produzenten. Ihre prinzipielle Armut oder Eigentumslosigkeit zwingt sie dazu, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um sich durch Kauf die von ihnen selbst produzierten Lebensmittel wieder aneignen zu können. Das Lohnverhältnis, als welches sich diese Abtrennung darstellt, führt zur Verallgemeinerung des Warenverhältnisses - nicht umgekehrt. Und in dieser Verallgemeinerung ist die Ware nicht mehr einfach Ware, sie ist lediglich die verwandelte Form von Kapital. Das Wesen der Ware und das Rätsel des Werts können nur entschlüsselt werden, wenn der Schein der »einfachen Warenzirkulation« durchbrochen wird: alles was heute an Waren auf den Markt kommt, ist Durchgangsform im Kreislaufs des Kapitals - und nur in diesem Kreislauf des Kapitals existiert das, was wir Wert nennen. Die Bestimmung der Tauschverhältnisse durch den Wert ergibt sich erst daraus, daß nicht einfach Waren getauscht werden, sondern Waren als Produkte des Kapitals. Ihre Zirkulation dient der Realisierung des von ihnen verkörperten Mehrwerts, der im Verhältnis zum vorgeschossenen Kapital als Profitrate erscheint. Vermittelt über die Konkurrenz stellt sich im Tausch der Waren die Einheit des Kapitals als allgemeine oder Durchschnittsprofitrate dar. Nur in diesem Bezug des Werts auf sich selber, in der Vereinheitlichung der Profitrate, liegt der Zwang, in bestimmten Wertverhältnissen zu tauschen, und vollendet sich der Fetischismus der Ware.

In der Kategorie des Werts ist immer schon das Kapital- und Klassenverhältnis enthalten. Es gehört zu den Merkmalen der kapitalistischen Vergesellschaftung, daß sich dieser Zusammenhang durch die Formen, in denen er sich ausdrückt, unsichtbar macht. Vom individuellen Standpunkt als Käufer, also vom durchschnittlichen Standpunkt eines kritischen Kritikers aus, erscheint der Bezug auf die Gesamtarbeit der Gesellschaft zuallererst als Ware und Markt. Durch die Warenform und ihre Wertgestalt als Preis ist unkenntlich geworden, aus welchem Prozeß sie herstammen und auf welchen Verhältnissen die Formen von Ware und Preis beruhen. Die Warenform der Produkte erzeugt so beständig das Bild einer Marktwirtschaft oder Warengesellschaft, in der uns unser Zusammenhang als die Summe von Tauschbeziehungen zwischen isolierten Individuen erscheint. Dabei ist es egal, ob ich das gut oder schlecht finde. Eine kritische Haltung zur »Marktwirtschaft« - der mit dem Begriff der »Wertvergesellschaftung« nur ein anderes Etikett aufgeklebt wird - bestätigt diesen falschen Schein und führt zwangsläufig zu Illusionen darüber, wie sich dieser Zusammenhang aufheben läßt.

 

Nachtrag: Wo bleibt da Marx?

Jede Diskussion über Ware, Wert oder Kapital steht heute natürlich in einem engen Zusammenhang zur Kritik der politischen Ökonomie von Marx. Deren systematischer Aufbau im Kapital scheint auf den ersten Blick den Wertkritikern recht zu geben, die meinen, mit der Analyse der Warengesellschaft schon das Wesen des Werts entdeckt zu haben. Denn so geht es da los: es wird die Ware genommen, an ihr ein rätselhafter Wert festgestellt, der auf ihren Charakter als Arbeitsprodukt verweist, der im Wert aber als dingliche Eigenschaft erscheint. Und weil das für die Ware schlechthin gilt, auf die sich alle Menschen beziehen müssen, haben wir es hier mit einem allgemein-menschlichen Phänomen der Entfremdung und Fetischisierung von Verhältnissen zu tun. Ist das nicht viel radikaler, als nur die ungerechte Verteilung des Produkts zwischen Unternehmern und Lohnabhängigen zu bejammern? So ist die Frage schon falsch gestellt. Die NDWK bemüht ständig den Gegensatz zwischen einer bürgerlichen humanistischen Entfremdungsphilosophie (an der sie anknüpft) und den Ungerechtigkeitsvorstellungen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung (in denen die Protagonisten der Wertkritik ihren eigenen Marxismus-Leninismus der 70er und 80er Jahre wiedererkennen, den sie hinter sich lassen wollen).

Das Ziel von Marx in seiner Kritik ist ein ganz anderes: nämlich beide Reaktionsweisen auf den Kapitalismus als selbst noch ideologische und verdrehte Ausdrücke des grundlegenden Klassenverhältnisses zu kritisieren und zu überwinden. Antikapitalistische Romantik und gewerkschaftliche Umverteilungsphantasien sind ihm nur zwei Seiten der falschen Erscheinungsformen des Kapitalismus.

Methodisch geht er dabei so vor, daß er sich die einfachsten und elementarsten Formen (Kategorien) als Ausgangspunkt nimmt und an ihnen zeigt, daß sie für sich falsch und unhaltbar sind, daß sie nur die abstrakten Ausdrucksformen von dahinterliegenden Produktionsverhältnissen sind. Die ganze Bewegung von Waren und Geld hat keinen Zusammenhang in sich selbst, sondern ist nur eine Facette der Bewegung des Kapitals und der in ihm eingeschlossenen gegensätzlichen Produktionsverhältnisse. Die NDWK übersieht gerade das Kritische der Darstellungsweise bei Marx und wird dadurch selber zur Ideologie. Marx formulierte schärfer: zur Vulgärökonomie.

»Wir haben gesehn, daß die Verwandlung von Geld in Kapital in zwei selbständige, ganz verschiedene Sphären angehörige und getrennt voneinander existierende Prozesse zerfällt. Der erste Prozeß gehört der Sphäre der Warenzirkulation an und geht daher auf dem Warenmarkt vor. Es ist der Kauf und Verkauf des Arbeitsvermögens. Der zweite Prozeß ist der Konsum des gekauften Arbeitsvermögens oder der Produktionsprozeß selbst. (...)

Der erste Prozeß, der Kauf und Verkauf des Arbeitsvermögens, zeigt uns Kapitalist und Arbeiter nur als Käufer und Verkäufer von Ware. Was den Arbeiter von anderen Warenkäufern unterscheidet, ist nur die spezifische Natur, der spezifische Gebrauchswert der von ihm verkauften Ware. Aber der besondere Gebrauchswert der Waren ändert durchaus nichts an der ökonomischen Formbestimmtheit der Transaktion, nichts daran, daß der Käufer Geld und der Verkäufer Ware vorstellt. Um also zu beweisen, daß das Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter durchaus nichts als ein Verhältnis zwischen Warenbesitzern ist, die zu ihrem wechselseitigen Vorteil und durch einen freien Kontrakt Geld und Ware mit einander austauschen, genügt es den ersten Prozeß zu isolieren und an seinem formellen Charakter festzuhalten. Dies einfache Kunststück ist keine Hexerei, aber es bildet den ganzen Weisheitsvorrat der Vulgärökonomie.«

F., Köln


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