Wildcat Nr. 90, Sommer 2011 [Unbeschränkte Haftung oder nichts zu verlieren?]



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Unbeschränkte Haftung oder nichts zu verlieren?

1. Die Reflation des Staates

April 2011. Die britische Regierung will die nicht-europäische Einwanderung auf ein festes Limit begrenzen. Auf Bedenken der Unternehmer reagiert sie mit einigen nicht an die große Glocke gehängten Zugeständnissen. Um eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, muss man nur fünf Millionen Pfund mit ins Land bringen oder gegen Sicherheiten im Ausland einen Kredit in dieser Höhe bei einer britischen Bank bekommen. An der Migrationspolitik ändert das praktisch nichts, aber es verrät viel über das Verständnis von »nationalem Wohlstand« in der Wirtschaftspolitik »nach« der Krise. »Großbritanniens wachstumsorientiertester Haushalt in Jahrzehnten« konzentriert sich auf eine »kontrollierte« Reflation der aus Privatkreditzirkulation, steigenden Immobilienpreisen und damit verbundenen finanziellen bis häuslichen »Dienstleistungen« bestehenden Vor-Krisen-Ökonomie.

Eine derartige Immobilienreflation kann nur gelingen, wenn die internationalen Kreditmärkte mitmachen. Um das zu erreichen, werden eifrig deren übliche Forderungen umgesetzt: Gläubigerschutz, »flexible« Kapital- und Arbeitsmärkte, Verlagerung des Risikos (d.h. der Haftung) auf die Arbeiterklasse. Also müssen das Haushaltsdefizit und die 2008/09 durch die Übernahme der Bankenschulden aufgetürmte Staatsverschuldung reduziert werden.1 Die »Einsparungen« sollen dadurch erreicht werden, dass der Staat sich aus seiner Rolle als letztinstanzlicher Arbeitgeber und Versorger jenes großen Bevölkerungsteils zurückzieht, den die Immobilienboom-Ökonomie nie profitabel ausbeuten konnte. Aber dass der Arbeiterklasse das Geld gekürzt wird, heißt noch lange nicht, dass »der Staat schrumpft«. Wie die aktuelle britische Administration sehr gut weiß, muss jede Regierung, die Millionen von Menschen jede legale gesellschaftliche Reproduktionsmöglichkeit wegnimmt und dabei die Ordnung aufrechterhalten will, gleichzeitig die Kernfunktion des Staates, nämlich Polizei im weitesten Sinne, massiv ausweiten. In den aktuellen und kommenden Kämpfen geht es also gewissermaßen um die Frage: Welche Arten von »Unruhen« (individuell-»kriminelle«, »Rassen«-, Religions- oder Klassenunruhen?) wird der Staat polizeilich bekämpfen müssen, und wie erfolgreich wird er dabei sein? Diese Frage kann im Moment niemand wirklich beantworten, aber ich werde im zweiten Teil dieses Textes zumindest ein paar Hinweise auf die Bedingungen einer möglichen Antwort zu geben versuchen.

Einige Linke in Großbritannien bezeichnen den aktuellen politischen Trend in diesem Land als »Privatisierung der Schulden«. Das ist korrekt, sofern wir diesen Ausdruck in doppeltem Sinne verstehen: Auf einer Ebene ist damit die Abwälzung der vor der Krise aufgehäuften Schulden des Privatsektors auf den Staat und weiter auf die Arbeiterklasse gemeint; auf einer anderen Ebene ist das Ziel dieser Übung gemeint, nämlich die Theorie, dass die Reduzierung der Staatsschulden (bzw. ihre Abwälzung nach unten) irgendwie den Weg freimachen werde, damit ein auf die Schaffung, Ausweitung und Verbriefung von Kredit, d.h. Schulden ausgerichteter Privatsektor erneut wachsen kann.

Dass es nicht möglich ist, über diesen Ansatz langfristig die Akkumulation wiederherzustellen, ist so offensichtlich, dass alle möglichen Marxisten, Schocktherapie-Monetaristen, konservativen Keynesianer und radikalen Neokeynesianer das beweisen und sich darüber freuen können. Aber Fragen der langfristigen Akkumulation spielen in dem Zeithorizont, der für die »Policy Makers« (Berater, Spitzenbeamte und Regierende) und Firmen zählt2, kaum eine Rolle. Da aus mehr als einer Richtung der Klassenkampf droht, gibt es auf der »pragmatischen« Ebene von Sozialmanagement und Shareholder Value kaum eine Alternative zur kurzfristigen Reflation der Kredit-/Dienstleistungsökonomie. Das Kapital ist derart stark im fire-Sektor (Finance, Insurance, Real Estate – Finanzen, Versicherungen, Immobilien) und den daran hängenden Dienstleistungen konzentriert, dass eine »Wiederherstellung des Gleichgewichts« durch Aufwertung der Industrieproduktion, wie sie die Gewerkschaften fordern und einige Minister gelegentlich versprechen, einen Großteil des »Reichtums« vernichten würde, der in den Dienstleistungs- und Konsumentenmärkten zirkuliert. Damit würde sie auch eine internationale Kapitalflucht auslösen und die durch Wohn- und Kleinfirmen-»Eigentum«, private Rentenversicherungen und persönliche Finanzanlagen eng an den fire-Sektor gebundenen »aufstrebenden« gesellschaftlichen Gruppen verprellen und die langjährigen Versuche zunichte machen, diese vom »verantwortungslosen« Proletariat abzuspalten, auf das sich die Angriffe der aktuellen Politik konzentrieren.

Die Bedeutung dieser Kredit-Reflation liegt also auch in ihrer politischen Grundlage. Außerdem verbindet die Privatisierung der Schulden die Inhalte der Kämpfe quer zur Unterscheidung zwischen »öffentlichem« und »Privatsektor«. Das ist wichtig, denn die offizielle und von den Gewerkschaften und vielen Leuten aus der Kampagne gegen die Kürzungen übernommene Reduzierung der Auseinandersetzung auf den »öffentlichen Sektor« ist ein aggressiver Versuch, die Klasse zu zersetzen und die Meinung der »aufstrebenden« Arbeiterklasse gegen die angeblichen »Privilegien« von staatlichen Beschäftigten und WohlfahrtsempfängerInnen zu mobilisieren. In den kommenden Monaten wird immer deutlicher werden, dass »die Verteidigung des öffentlichen Sektors« als Form der gesellschaftlichen Gegenmacht nicht ausreicht: Sobald die 500.000 Staatsbeschäftigten, die entlassen werden sollen, erst von privaten Wohlfahrtsunternehmen »betreut werden« oder wieder arbeiten, werden sie »in« der Privatwirtschaft sein, ebenso wenn sie ihre frühere Arbeit als Freelancer oder LeiharbeiterInnen an Subunternehmer des Staates verkaufen.

Die reflationäre Seite der Schuldenprivatisierung zeigt sich in den Leitartikeln, auf der Ebene der Makro-Politik, während die repressive Seite - die Abwälzung der Haftung nach unten - von dort bis hinunter in die allerkleinsten Mikro-Interventionen reicht. (Wie die Vorgängerregierung ist die aktuelle Regierung besessen von der »Verhaltensökonomie« und hat ein spezielles »Verhaltenseinsichtteam« eingerichtet, das »gesellschaftliche Normen« propagieren soll, und zwar die individuelle Haftung für gesellschaftliche Probleme als psychologischen Reflex.) Auf der Makro-Ebene zeigt sich, dass sich beide Aspekte fast überall überschneiden, am deutlichsten zeigt es sich am Gesamtumfang der Haushaltskürzungen (83 Mrd. Pfund), an der Konzentration der Kürzungen auf »Anrechte« der Arbeiterklasse (Sozialhilfe, Bildung und kommunale Dienstleistungen wie Kinder-, Alten- und Behindertenbetreuung) und an der ständigen Behauptung, dass der durch die Kürzungen verursachte Kaufkraftverlust durch finanzielle Anreize ausgeglichen werden solle (früher galt so etwas als Widerspruch in sich selbst, inzwischen meinen die Offiziellen dieses Gerede völlig ernst). Weitere wichtige Punkte:

– Zusätzliche steuerliche Belastung des ArbeiterInnenkonsums durch Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20 Prozent im Rahmen einer allgemeinen Reform des Steuersystems zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. (Wie bei den Haushaltskürzungen sollen die Auswirkungen dieser Politik angeblich durch niedrige Zinsen ausgeglichen werden – was also v.a. EigenheimbesitzerInnen zugute kommt.)

– Beschäftigte im Privatsektor sollen automatisch über das aktienmarktbasierte private nest-System rentenversichert werden (mit einer »Opt-Out«-Möglichkeit im Kleingedruckten).

– Weitere staatliche Einrichtungen, die aus politischen Gründen nicht völlig abgeschafft werden können (z.B. Sozialhilfe, Müllabfuhr, Gesundheitswesen), sollen nicht mehr direkt vom Staat betrieben, sondern an Auftragnehmer »vergeben« werden, die vom Staat bezahlt werden. Damit werden also auch die davon abhängigen proletarischen Märkte an kreditfinanzierte Unternehmen ausgelagert. Am ehrgeizigsten dabei ist vielleicht der National Health Service, der in Zukunft Dienstleistungen von »allen willigen Anbietern« en gros einkaufen soll. Zu den ersten »Anbietern« gehörte dabei der multinationale Betriebsprüfungs- und Unternehmensberatungskonzern kpmg. Das zeigt zum einen, welche Profite hier winken, zum anderen auch, wie groß der Spielraum für weitere Auslagerungen an Sub-Sub-Anbieter ist.

– Eine Reform der Wohnungspolitik, die von einigen ehrlichen Tories schon als modernes städtisches Gegenstück zu den »Highland Clearances«3 gelobt wird. Die drastische Kürzung des Wohngeldes und die Anhebung der Mieten im »Sozialsektor« (d.h. bei den inzwischen outgesourcten, ehemaligen kommunalen Wohnungen) auf 80 Prozent der Marktmiete bedeuten die Rückkehr zu einer 30 Jahre lang betriebenen Politik der Umlenkung von proletarischen Einkommen in den privaten Immobilienmarkt, d.h. die Rückkehr zu einem der wichtigsten langfristigen Faktoren, die zur fire-Blase vor der Krise und zur Krise selbst geführt haben. Wie groß die politische Entschlossenheit ist, diesen Prozess wiederzubeleben, lässt sich daran erkennen, dass erneut »Enterprise Zones« eingeführt werden: das System der subventionierten und unregulierten Kahlschlag- und Sanierungspolitik in den Städten, mit dem die Thatcher-Regierung den 30jährigen Zyklus begann.4

Andere Aspekte der sozialen Repression tragen kaum zur Reflation oder auch nur zu den Sparmaßnahmen bei; hier soll die Arbeiterklasse weniger aus finanziellen als vielmehr aus disziplinierenden Gründen »für die Krise zahlen«. Praktisch geht es um die Förderung jener Mischung aus persönlicher Verzweiflung und »Aufstiegsorientierung«, die in einer Kredit- und Dienstleistungsökonomie von den ArbeiterInnen verlangt werden, d.h. um die »Basiskompetenzen« oder »Lebensqualifikationen«, deren Fehlen die Kapitallobbyisten ständig beklagen. Zum Beispiel:

– KrankengeldempfängerInnen werden massenhaft an die Sozialämter und in deren aggressive »Workfare«-Programme überstellt, wodurch sich gleichzeitig spürbar die erzwungene Konkurrenz um tendenziell immer weniger Jobs (da sind sich alle institutionellen Prognosen einig) verschärft.

– In ähnlicher Weise verschärft sich die Konkurrenz zwischen ArbeiterInnen außerhalb des Sozialsystems: z.B. zwingen öffentliche und private Arbeitgeber alle Beschäftigten, sich gleichzeitig und in Konkurrenz zueinander auf weniger Jobs zu schlechteren Bedingungen neu zu bewerben. So haben 170 000 Kommunalbeschäftigte im ganzen Land mit unmittelbarer Wirkung gültige Änderungskündigungen erhalten. (Außerdem hat die Regierung ein Versprechen gegeben, das das »Gerechtigkeits«-Ideal der Verhaltensökonomen auf den Punkt bringt: alle jungen Menschen sollen die Möglichkeit haben, als unbezahlte PraktikantInnen zu arbeiten.)

– Abschaffung der (einkommensabhängigen) Prozesskostenhilfe für arbeitsrechtliche Verfahren (Kündigungsschutzklagen, Antidiskriminierungsklagen usw.); Abschaffung eines Großteils der Arbeitsschutzgesetze und Mittelkürzung um 35 Prozent bei der Arbeitsschutzaufsicht; Abschaffung des Arbeitsrechts in Kleinbetrieben. Diese Maßnahmen belohnen die jahrelange Lobbyarbeit der Arbeitgeber und werden begleitet von einer »Arbeitgeber-Charta«, mit der die Kapitalisten an ihr »Recht« »erinnert« werden, »Angestellte um Lohnsenkungen zu bitten«.

Dieselbe repressive Logik wird auf der Verwaltungsebene auch in marginalen Programmen und Ideen sichtbar, die noch gar nicht vollständig umgesetzt sind:

– Ein (von einer christlichen Wohltätigkeitsorganisation betriebenes) Lebensmittelgutschein-System für aufsässige WohlfahrtsempfängerInnen, denen das Geld gestrichen wurde. Das würde es den Subunternehmern, die die Zwangsarbeitsprogramme organisieren, leichter machen, Lohnzahlungen zu stoppen. Außerdem würde es die Verschmelzung des gesamten Sozialsystems mit dem offen »abschreckenden« Lebensmittelgutscheinsystem für AsylbewerberInnen beschleunigen.

– Eine Lücke im allumfassenden staatlichen Fördersystem für die Immobilienakkumulation wird endlich durch Gesetze zur Kriminialisierung von Hausbesetzungen geschlossen - mit verlogener Hilfe vom Evening Standard und seinen Geschichten über Immigranten, die versuchen, bereits bewohnte Häuser zu besetzen. Die Verdrängung eines vorhandenen Bewohners aus einer Wohnung ist natürlich jetzt schon illegal, aber das Bild von Hausbesetzern aus dem Baltikum, die das »sanfte« britische Recht für ihren eigenen internationalen Konkurrenzvorteil ausnutzen, hat die Panik erst richtig angeheizt.

– Ein von der Regierung in Auftrag gegebener Deloitte-Bericht empfiehlt, alle Interaktionen mit dem Staat (Anträge auf Sozialhilfe und Dokumente, Gebührenzahlungen) zwangsweise ins Internet zu verlagern. Begründet wird das mit der allgemeinen gesellschaftlichen Pflicht, zur Senkung von Backoffice-Kosten beizutragen (d.h. der Löhne von PostsortiererInnen und Call-Center-Beschäftigten). Mit der Umstellung auf ein reines Online-System würde auch die Finanzreflation subventioniert werden, denn die Automatisierung der bisherigen Büroarbeit würde an Firmen aus dem Finanz- bzw. it-Beratungs- bzw. Dienstleistungssektor (wie z.B. Deloitte) vergeben werden.

– Premierminister David Cameron hat eine vielbeachtete Rede gehalten, in der er einwandererfeindliche Stimmungen auf ganz andere Art als bisher – wenn auch kein bisschen softer – zur Zersetzung der Klasse einsetzt. Laut Cameron ist das Sozialsystem schuld an der Entstehung einer ganzen Generation von arbeitsscheuen Briten, weil es ImmigrantInnen erlaubt habe, ihnen die Jobs wegzunehmen. Die Behauptung, dass es bei der Kontrolle der Einwanderung um den Schutz der einheimischen ArbeiterInnen vor Konkurrenz aus dem Ausland gehe, wird also völlig fallengelassen, während gleichzeitig die gesellschaftliche Unerwünschtheit von ausländischen ArbeiterInnen zur unhinterfragten Voraussetzung erhoben wird. Ausländische ProletarierInnen sind an sich schon ein Problem, und die »faulen« britischen Angehörigen derselben Klasse sind daran schuld: Daher müssen beide bestraft werden. Diese Akzentverschiebung ist wichtig: Wird sie die Feindseligkeit zwischen »britischen« und »ausländischen« ProletarierInnen verschärfen, wenn erstere letzteren nicht nur die Schuld daran geben, ihnen »die Jobs wegzunehmen«, sondern sie auch für die repressiven Angriffe von Staat und Kapital verantwortlich machen, oder könnte das Versprechen von Repressionen gegen alle im Gegenteil die Solidarität innerhalb der Klasse stärken?

2. »Community« oder Gegenmacht?

Anfang April 2011. TeilnehmerInnen des Brixton-Riots von 1981 werden zum 30. Jahrestag des Riots von einer Lokalzeitung interviewt und sind sich einig, dass es »angesichts der Wut überall« »wieder passieren könnte«. Weniger sicher sind sich die Interviewten, »dass es diesmal wegen der Polizei wäre«, vielmehr erwähnen sie Schulden, Schulverweise, Wohnungen und den Sozialstaat… Diese ehemaligen Riot-TeilnehmerInnen, die inzwischen in der Stadtverwaltung, in professionellen »Race Relations«-Stellen oder in ngos arbeiten, haben Schwierigkeiten zuzugeben, dass es sich bei Schulden, Räumungen usw. ebenfalls um Formen von Polizei handelt, und dass die Wut darüber mit der Wut über die traditionelle Form von Polizei verschmilzt.

Ende April 2011: Ganz plötzlich bricht die Wut über die Polizei im weiteren und im engen Sinne in einem anderen Gebiet aus, wo es in den 80er Jahren ebenfalls Riots gegeben hatte: in Stokes Croft, einem halb gentrifizierten Arbeiterstadtteil von Bristol. Anfangs gab es eine kleine Auseinandersetzung nach der gewaltsamen Räumung eines besetzten Hauses, aber nach und nach wurden etwa 1.000 Menschen hineingezogen, deren Stadtteil von der Polizei angegriffen wurde. Die britischen und internationalen Medien konzentrierten sich darauf, dass ein neuer Tesco-Supermarkt zerlegt wurde – der »Anti-Terror»-Vorwand für die Räumung des besetzten Hauses war eine Razzia wegen nicht vorhandener, angeblich für Tesco bestimmter Molotov-Cocktails –, aber der Supermarkt wurde erst angegriffen, nachdem es (vorübergehend) gelungen war, die Bullen zu verjagen. Nach Augenzeugenberichten hatten die meisten der TeilnehmerInnen am Riot weder mit Hausbesetzungen noch mit Protesten gegen Tesco irgendetwas zu tun. Ein Bericht in The Commune5 beschreibt die soziale Zusammensetzung des Riots so:

Ich habe den Eindruck, dass die Leute aus ganz unterschiedlichen Gründen bei den Riots mitgemacht haben: wegen der Schikanen gegen HausbesetzerInnen, weil sie aus moralischen oder politischen Gründen gegen Tesco sind, wegen der Gentrifizierung von Stokes Croft, aus Protest gegen die Sparmaßnahmen. Und die schwarzen Kids aus St. Pauls haben wahrscheinlich noch ihre eigenen Rechnungen mit der Polizei offen.

Und: Nachdem die ersten Scheiben bei Tesco zu Bruch gingen, prügelten die Bullen viel härter auf uns ein, aber ihnen gegenüber stand eine neue Menge, die sich während der Nacht neu zusammensetzte: all die oben genannten Gruppen und Beweggründe kamen zu einem Ganzen zusammen, und das war für mich das Wichtigste an der ersten Riot-Nacht in Bristol.

Ein Riot6 ist keine Bewegung und auch kein Beweis dafür, dass es eine geben könnte. Aber das allmähliche Aufstauen von Wut quer durch unterschiedliche, aber sich überschneidende Klassenerfahrungen gibt es nicht nur in Stokes Croft. Dieser spezielle Fall, bei dem »unterschiedliche Beweggründe« in einer explosiven, spontanen Solidarität zusammengekommen sind, führt uns zurück zur Frage aus dem vorigen Abschnitt: »mit welche Arten von Unruhe« wird der repressiv-reflationäre Staat konfrontiert sein? Wie kann die Form von Solidarität und Macht, die sich in Bristol kurz entwickelte, anders entstehen als spontan und direkt provoziert? Lässt sie sich längerfristig und über die Grenzen sozialgeographischer »Communities« hinweg erhalten? Diese Fragen lassen sich nur durch eine gesellschaftliche Praxis beantworten. Was folgt, ist also nur der Versuch, die Bedingungen zu beschreiben, unter denen diese praktische »Antwort« angegangen werden muss.

Einige Aspekte der Situation machen ganz und gar keinen Mut, aber vielleicht führen sie auch in die Irre:

– Es gab sehr wenige Streiks, seit die Konflikte bei der Royal Mail und den FlugbegleiterInnen von British Airways vor einem Jahr mit einem von der Gewerkschaft ausgehandelten Rückzieher bzw. einer klaren Niederlage endeten. Die von ba angewandte aggressive Taktik, Urabstimmungen gerichtlich verbieten zu lassen, wurde seither wiederholt von anderen Arbeitgebern im öffentlichen wie im Privatsektor benutzt, um Streiks zu verhindern. Lobbygruppen der Wirtschaft und der Bürgermeister von London treten vehement für Gesetzesänderungen ein, die genau das durch strengere Regeln für Urabstimmungen noch vereinfachen sollen.

– Streiks bei der Feuerwehr im Oktober und November haben sich direkt gegen erzwungene Wiedereinstellungen zu schlechteren Bedingungen gerichtet. Aber sobald die Aktionen anfingen, die Grenzen symbolischen Protests zu überschreiten, stieg die Gewerkschaft aus. Nach einigen eintägigen Streiks, bei denen Streikposten von Streikbrechern7 und Managern gewalttätig angegriffen wurden, wurden ernsthafte Störungen durch einen 48-Stunden-Streik am 5. November versprochen. An diesem Tag werden in in Großbritannien zur Erinnerung an die Hinrichtung eines katholischen Brandstifters im 17. Jahrhundert riesige Feuerwerke abgebrannt. Und plötzlich sagte die Feuerwehrgewerkschaft den Streik einseitig ab und erklärte sich zu »Schlichtungsgesprächen« bereit. Im Januar wurden dann alle 5600 Feuerwehrleute wie geplant entlassen und gezwungen, sich neu zu bewerben. Der politische Charakter dieser Niederlage wurde am härtesten von einer Zeitungsüberschrift formuliert, die vom »Erstschlag« der Regierung sprach, und am deutlichsten in der ökonomisch unsinnigen, aber arbeiterfeindlichen Behauptung eines Feuerwehr-Managers, die neuen Verträge würden die Produktivität der Feuerwehr erhöhen. (Das von eads entworfene Automatisierungsprojekt, mit dem die »effizienzsteigernden« Änderungen des Schichtsystems begründet worden waren, war in der Zwischenzeit wegen Ineffizienz gestrichen worden).

– Nach Eingeständnis von Brendan Barber, Generalsekretär des tuc [Trades Union Congress, britischer Gewerkschaftsdachverband] und Aufsichtsratsmitglied der Bank of England, kämpfte der tuc bis zu seiner landesweiten Demonstration »Marsch für eine Alternative« am 26. März »zum Schein« gegen die Austeritätspolitik. Die seither angeblich betriebene realistischere Politik läuft auf eine Lobbykampagne hinaus, in der die über 500.000 TeilnehmerInnen der Demo als eine Art moralische Verhandlungsmasse benutzt werden, eine minimal andere Steuerpolitik (einen langsameren Abbau des Defizits, stärkere Steuerprogression usw.) »mit Argumenten durchzusetzen«. Eigentlich gibt es zwischen den angebotenen »Alternativen« keinen Unterschied – das zeigt auch das vorsichtige Hofieren der Labour Party durch den tuc, denn der 10 Jahre lange kreditfinanzierte »Booms« während der Regierungszeit von Labour bleibt das Modell für die gegenwärtige Politik der Reflation. Die fast ausschließliche Konzentration auf die »Verteidigung des Öffentlichen Sektors« verstärkt die Trennung von »öffentlichem« und »Privatsektor«, mit der alles, was in der letzteren passiert, aus der politischen Diskussion herausgehalten wird. So plant der tuc nun für den 30. Juni einen Streik zum begrenzten Thema der Renten im Öffentlichen Dienst.

Diese »Führung« spiegelt aber keineswegs die Realität des sozialen Antagonismus wider. Das wurde immerhin auch beim tuc-Marsch selbst deutlich, wo die Zusammensetzung, die Stimmung und die Aktivitäten weit über das offizielle Mandat für gesitteten Protest im Öffentlichen Sektor hinausgingen. Obwohl Polizei und Gewerkschaftsfunktionäre so eng zusammenarbeiteten wie nie zuvor, wechselten Tausende von Leuten den ganzen Nachmittag und Abend hin und her zwischen dem offiziellen Marsch und sogenanntem »gewaltbereiten Minderheitsverhalten«: es gab wenig konzentrierte Gewalt, aber die mobilen Auseinandersetzungen mit der Polizei und die Angriffe auf symbolische Ziele (Banken, Luxusgeschäfte, das Ritz, eine unsägliche »Olympische Uhr«) zogen sich über Stunden hin, oft an mehreren Orten gleichzeitig. Viele Berichte bestätigen den subjektiven Eindruck, dass der immer mal wieder »gewaltbereite« Teil der Menge keineswegs von AktivistInnen und erfahrenen RandaliererInnen dominiert wurde. Das deckt sich mit den Berichten von den StudentInnenprotesten im letzten Jahr, dass bei den »Schwarzer Block«-mäßigen Aktionen viele junge Leute dabei waren, die überhaupt nichts mit irgendwelchem politischem Aktivismus zu tun hatten.

Ein Artikel der Anarchist Federation8 vertritt die These, der »Frust« über die Vermittlung durch den tuc habe dazu beigetragen, »die lokalen Bewegungen zum Leben zu erwecken«:

Aus diesem Gefühl von Bestürzung heraus haben sich GewerkschaftsaktivistInnen mit NutzerInnen öffentlicher Dienste, WohlfahrtsempfängerInnen und uns übrigen zusammengetan, um endlich gegen die Kürzungen zu kämpfen, ohne dabei auf Führer zu warten. Zum Zeitpunkt der Demo waren die Kampagnen voll angelaufen, und dementsprechend war an diesem Tag die Stimmung.

Abgesehen von dieser Großdemo bezieht sich das auf hunderte lokale Anti-cuts Gruppen im ganzen Land, die gegen bestimmte Auswirkungen der repressiven Gesamtpolitik aktiv werden und Kampagnen für die »Rettung« einzelner Kitas, Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken usw. oder für den Schutz von deren »NutzerInnen« starten – mit verschiedenen Methoden von Unterschriftensammlungen über Besetzungen bis zur »Sozialarbeit mit direkten Aktionen«9. Es gibt so viele und unterschiedliche Initiativen, dass man sie kaum verallgemeinern kann, aber es gibt ein paar Merkmale, die bei den allermeisten – wenn auch nicht allen – auftauchen:

– Verteidigung der unmittelbaren materiellen Interessen der Betroffenen: die Gruppen bilden sich um örtliche oder soziale »Communities« und/oder um die Abhängigkeit von bestimmten Institutionen herum; einzelne Kampagnen sammeln sich in breiteren lokalen Bündnissen (z.B. Lambeth Save Our Services).

– Etablierte Kampagnen (z.B. Defend Council Housing), Gewerkschaftssektionen, linke Parteien und nicht-sektiererische AnarchistInnen/KommunistInnen sind beteiligt, aber spielen nicht unbedingt die Hauptrolle. Viele Gruppen sind neu, und viele Beteiligte kommen nicht aus der Politszene.

– Die Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf das, was immer noch als »öffentlicher Sektor« wahrgenommen wird. Mittlerweile werden schon so viele staatliche Geschäfte von Auftragnehmern erledigt, dass eine Konfrontation mit dem Privatkapital unumgänglich ist, aber die Konzentration vieler Kampagnen auf die »Rettung öffentlicher Einrichtungen« sieht immer wieder über diese Realität hinweg.

– Die gemeinsame Organisierung von Beschäftigten oder NutzerInnen staatlicher Einrichtungen ist weit verbreitet, wie etwa die sich überschneidende Bewegung im Bildungsbereich zeigt.10Aber das betrifft wohl selten Situationen, in denen die Beschäftigten eine Polizistenrolle gegenüber den NutzerInnen oder WohlfahrtsempfängerInnen ausüben (Sozialhilfe, Sozialwohnungen, Eintreiben von Gebühren und Bußgeldern). Angesichts der möglichen Folgen einer gemeinsamen Organisierung ist es kein Wunder, dass öffentlich Beschäftigte, die sich nicht zum Büttel machen lassen wollen, Konsequenzen von der Entlassung bis hin zur Strafverfahren zusammen mit ihren »Kunden« riskieren. Vielleicht kommen solche »Kooperationsverweigerungen« also öfter vor, als bekannt wird. Aber das Gefühl, viel zu verlieren zu haben, könnte sich ohnehin ändern, sobald die neuen Richtlinien für Sozialhilfe und Sozialwohnungen voll in Kraft treten und zusammen mit einer weiteren Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt sowohl die WohlfahrtsempfängerInnen als auch die Beschäftigten ins totale Chaos stürzen. (Ein Parlamentskomitee gab Anfang Mai zu, dass das ausgelagerte welfare-to-work Programm nur dann funktionieren wird, »wenn eine wirtschaftliche Belebung genug passende Jobs schafft«. Mittlerweile wurden die MitarbeiterInnen der Arbeitsämter mit Anweisungen für den »Umgang mit Selbstverletzungs- und Suiziddrohungen« ausgestattet. Anhand von zwei Vorfällen aus der letzten Zeit wird dieser Umgang demonstriert: Die WohlfahrtsempfängerInnen haben ihren Selbstmordversuch überlebt und sind in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden.)

Beispielhaft zeigen sich die vielversprechenden wie auch die widersprüchlichen Aspekte der Aktivitäten gegen Sozialkürzungen in den Communities an einer Reihe von Aktionen gegen Sitzungen von Kommunalparlamenten, bei denen Sparhaushalte verabschiedet wurden. Gewerkschaften und einige Community-Gruppen wollten dort für eine politische Kehrtwende »plädieren«, die die bankrotten Gemeinden gar nicht hätten umsetzen können. In einigen Städten im Norden und in einigen Londoner Bezirken tauchten jedoch viel mehr andere Leute auf als aus den organisierten Gruppen und statt der Plädoyers wurden Sitzungen blockiert und Ratssäle besetzt. Als das Rathaus von Lambeth (Südlondon) besetzt wurde, bat der örtliche Unison-Vorsitzende vergeblich, wir sollten die Ratsmitglieder wieder reinlassen, damit sie sich die Plädoyers anhören könnten. Natürlich verabschiedete der Stadtrat seinen Haushalt einfach anderswo im Gebäude in einem polizeigeschützten Bunker, aber die Verweigerung jeder Vermittlung – d.h. des Versuchs, »sich mit Argumenten durchzusetzen«– war ziemlich deutlich.

Ein weiteres erwähnenswertes widersprüchliches Phänomen ist uk Uncut, bei deren Besetzung von Fortnum & Mason (einem Feinkostladen, der anscheinend Steuern hinterzieht) am 26. März es die meisten Verhaftungen an diesem Tag gab. Das Netzwerk hatte mehrere Monate immer wieder kurze, öffentlichkeitswirksame Besetzungen/Blockaden von Unternehmen inszeniert, denen vorgeworfen wird, über Steueroasen das britische Finanzamt zu betrügen. Was gegen eine solche Politik spricht, muss hier nicht wiederholt werden. Interessanterweise unterstützt sie – ebenso wie die tuc-»Alternative« – nicht nur die Ansprüche des Staates, sondern unausgesprochen auch die Ansprüche der Inhaber von Staatsanleihen: Wenn Vodafone und Barclays nur »ihren gerechten Beitrag leisten« würden, dann wären die Sparmaßnahmen nicht notwendig. Trotzdem – nicht zuletzt angesichts der aggressiven Antwort der Polizei – sollten wir die im Namen von uk Uncut durchgeführten Mini-Blockaden nicht vorschnell abtun. Viele Leute ohne Polit-Hintergrund haben sich an der direkten Störung eines Geschäfts im Privatsektor beteiligt; wir werden sehen, ob die Erfahrung vorübergehender kollektiver Macht und Konfrontation mit dem Staat stärker nachwirken als die mit der Aktion verbundene staatsfreundliche Ideologie.

Der oben zitierte Artikel spricht auch von dem »überwältigenden Gefühl« am 26. März, »dass dies nur der Anfang ist«. Das könnte nicht nur auf den eintägigen Protest, sondern auch auf die breitere soziale Konfrontation zutreffen. Es laufen schon viele entschlossene antagonistischen Aktivitäten, bei denen für voneinander getrennte, aber sich überschneidende ArbeiterInneninteressen gekämpft wird. Manchmal kommen einige dieser Interessen zusammen und scheinen eine wirkliche Bedrohung darzustellen, wie in Bristol oder den Kämpfen der StudentInnen und BildungsarbeiterInnen, aber noch geschieht das nicht auf allgemeine und dauerhafte Art. Mit der Frage, wie so eine dauerhafte Bedrohung aussehen könnte, beschäftigt sich z.B. ein Artikel in Aufheben, der die Bedingungen, unter denen die Aktivitäten von WohlfahrtsempfängerInnen in den letzten 20 Jahren isoliert und erstickt wurden, mit dem aktuellen Zusammenbrechen der Unterschiede zwischen einem sicheren, einem prekären und einem nicht vermittlungsfähigen Status und mit der daraus folgenden Notwendigkeit einer die ganze Klasse umfassenden Bewegung vergleicht.11Die Anarchist Federation wird etwas konkreter und fordert einen »sozialen Generalstreik«. Dabei erinnert sie an einige Taktiken, die in letzter Zeit in Frankreich benutzt wurden:

… angesichts schwacher, ineffektiver Gewerkschaften und unsicherer Arbeitsplätzen können die ArbeiterInnen nicht riskieren, das allein durchzuziehen. Also muss es massive soziale Unruhen von Seiten derjenigen geben, die aktiv werden können: Streiks an Schulen und Unis, riesige Besetzungen in unseren Stadtzentren; kreative Nutzung von Einrichtungen wie Bibliotheken, Parks und Freizeitzentren, um den ArbeiterInnen zu zeigen, dass wir hinter ihnen stehen; Wirtschaftsblockaden, z.B. von Treibstofflagern, wo die ArbeiterInnen nicht selbst als Streikposten auftauchen können usw. 12

Anders als die trotzkistischen Parteien, die immer noch den Gewerkschaften vorwerfen, dass sie keinen eintägigen Generalstreik ausrufen, sind sich diese Gruppen darüber im Klaren, dass eine sozial gefährliche Bewegung nicht einfach durch »richtige Argumente« ins Leben gerufen werden kann. Wo sich Kämpfe entwickeln, werden sie es mit einem intensiven Anheizen von Spaltungen innerhalb der Klasse zu tun haben (zwischen öffentlichem und Privatsektor, einheimischen und migrantischen ArbeiterInnen, respektablen EigenheimbesitzerInnen und »krimineller« Unterklasse…), während die Angriffsmaßnahmen langsam und verwirrend umgesetzt werden, um die Mischung aus falschen individuellen Hoffnungen und übertriebenen kollektiven Ängsten aufrechtzuerhalten. Entscheidend wird sein, inwieweit eine entstehende Gegenmacht diese demoralisierenden Faktoren überwinden kann, wenn die verzweifelte Politik der Schulden-Reflation – die sogar von bürgerlichen Ökonomen als »expansive fiskalische Kontraktion« lächerlich gemacht wird13– unausweichlich gegen die Wand fährt. ■

Fußnoten:

[1] Einen detaillierten Bericht des Verschuldungsprozesses gibt es auf der World Socialist Website; Britain’s national debt: Where did the money go? (www.wsws.org, 23.4.2011);

[2] Keynes' Ausspruch »Langfristig sind wir alle tot« wurde seit Krisenausbruch oft zitiert. Dabei wurde kaum wahrgenommen, dass sich die geschäftlichen und politischen Strategien zugrunde gelegte Lebenszeit seit Mitte des 20. Jahrhunderts von der eines Menschen auf die einer Katze verkürzt hat.

[3] Vertreibung der Bevölkerung der schottischen Highlands im Zuge der Agrarrevolution im 18. und 19. Jahrhundert]

[4] Zum Plan für die Enterprise Zones und die frühe Geschichte des Systems siehe Enterprise Zones introduced across England, (23.4.2011) auf www.wsws.org.

[5] The Commune: the first funky riot in bristol (22.4.2011) auf http://thecommune.co.uk

[6] Es ging genauer gesagt um zwei Riots: eine Woche später gab es einen weiteren am selben Ort, nachdem das wiederbesetzte Haus zum zweiten Mal durchsucht und vorsorglich Bereitschaftsbullen in den umliegenden Straßen postiert worden waren.

[7] Bei Streiks der Feuerwehrleute trat als Streikbrecher traditionell die Armee auf, die ihr eigenes überflüssiges Equipment dafür nutzte. Diesmal war das Arrangement anders: AssetCo, das ultra-fremdfinanzierte ‹micro-cap› PFI-Unternehmen [micro-cap steht für eine Börsenkapitalisierung von 50-300 Mio. Dollar; Private Finance Initiative ist eine Form von Public Private Partnership], das alle Feuerwehrautos Londons besitzt und diese an die Feuerwehren vermietet, wurde 2009 zusätzlich damit beauftragt, Streikbrecher zu stellen. Beim Streik im letzten Herbst traten die PFI-Streikbrecher erstmals auf. Sie feierten ihn, indem sie eine Streikpostenkette mit einem Feuerwehrauto rammten, dabei einen Streikenden unter dem Wagen einschlossen und sich weigerten, sich zurückzuziehen, bis die Polizei sie dazu aufforderte. AssetCo (mit 159 Prozent Schulden im Verhältnis zum Eigenkapital) ist jetzt bankrott und wird als »Schnäppchen mit Potenzial« feilgeboten, die Feuerwehrautos sollen entweder den Gläubigern oder einem Bahrain gehörenden Geier-Fonds zufallen.

[8] uk Unmasked and the New Kids on the Block (6.5.2011),www.afed.org.uk
Ein Großteil der besten Augenzeugenberichte und Analysen der gegenwärtigen Kämpfe kommen aus einer mehr oder weniger klassenkampf-anarchistischen Perspektive und werden auf libcom.org gesammelt oder verlinkt, einschließlich Links zu Veröffentlichungen einzelner Gruppen. Eine weitere nützliche Quelle ist The Commune

[9] Auflistungen und Links, die die Aktivitäten geographisch aufschlüsseln unter http://anticuts.org.uk

[10] Zu Kämpfen im Bildungssektor im letzten Jahr siehe die Berichte unter wildcat.aktuell; Don’t Panic, Organise! A Mute Special on Struggle in Education auf www.metamute.org und die Sammlung unter libcom/tags/education

[11] Besetzung von Fortnum & Mason

[12] Aufheben: The renewed imposition of work in the era of austerity: prospects for resistance, Ausgabe 19, 2010. Wird im Laufe des Jahres online zu finden sein.

[13] Everything we've won: they want it back (März 2011) auf www.afed.org.uk

[14] s. Martin Wolf: Why British Fiscal Policy is a Huge Gamble, Financial Times 28.4.2011.



aus: Wildcat 90, Sommer 2011



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