Wildcat Nr. 83, Frühjahr 2009



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Die Wildcat 83 ist draußen!
Ab 02.03.2009 in den Buchläden!

Die Umkehrung der Konkurrenz

»Kaum an der Regierung haben Obama und Co. ihr Shock and Awe-Programm gegen die Klasse verkündet«, schrieb ein US-amerikanischer Linker, als die Grundzüge des Wirtschaftsprogramms der neuen US-Regierung erkennbar wurden. Von der mitschwingenden Enttäuschung abgesehen – viele US-Linke hatten dem Kandidaten Obama unerklärlicherweise viel Hoffnung entgegengebracht – bringt es die Sache in zweierlei Hinsicht auf den Punkt:

Vorbereitungen

Angst

Aber inzwischen geht denen auch ganz schön die Muffe. Nachdem »gut aufgestellt« beinahe zum Unwort des Jahres 2008 geworden wäre, traten dann Anfang des Jahres in Island und Lettland die ersten europäischen Regierungen wg. Protesten gegen die Krise zurück, und auch die Spalten der deutschen Zeitungen füllten sich mit Meldungen wie »Pleitewelle erfasst Europa«, »rasanter Anstieg der Arbeitslosigkeit«, »Osteuropa taumelt«, »Staatspleite allerorten«. Die Zahlen, die das Versiegen der Nachfrage, den Absturz der Auftragseingänge, die Vernichtung von Vermögen beschreiben, erreichen Dimensionen, die sich bis vor kurzem noch niemand vorstellen konnte. Alle merken, dass sich die Talfahrt beschleunigt, ohne dass der Boden irgendwo sichtbar würde. Denn obwohl die Finanzkrise offiziell vor knapp 20 Monaten mit dem Beinahe-Kollaps der Bear Stearns Hedgefonds begann und praktisch sofort auf die BRD übersprang (IKB), weiß noch immer niemand, wie viele faule Papiere die Banken noch abschreiben müssen; der IWF schätzt aktuell »bis zu 23,2 Billionen Dollar«. Angesichts solcher Zahlen ist klar, dass die volle Wucht erst kommt. Bisher ist die Krise für die meisten noch ein virtuelles Erlebnis. Aber sie wird in den nächsten Monaten schnell konkret zu spüren sein und dann neue Fragen aufwerfen.

Sprengkraft

Wie können die ArbeiterInnen für die Rettung eines Finanz- und Produktionssystems zur Kasse gebeten werden, das massiv an Legitimität eingebüßt hat? Es wird immer klarer, dass die verschiedenen »Rettungsprogramme« Subventionen zum Arbeitsplatzabbau sind; zudem sollen die »geretteten« Beschäftigten schlechtere Bedingungen akzeptieren. Hier steckt eine große Sprengkraft, denn das bedeutet, die ArbeiterInnen, die in einer Ecke der Welt sich dem Angriff entgegensetzen, fordern unmittelbar alle übrigen dazu auf, es ihnen gleichzutun. Dieser Prozess der Umkehrung der Konkurrenz wird den Verschleiß der Institutionen der Herrschaft beschleunigen. Und wenn es dazu kommt, steht der Fortbestand der kapitalistischen Gesellschaftsordnung überhaupt in Frage!

Derweil betreibt die offizielle Linke ihr übliches agenda setting: »Wir setzen ein paar Termine und Kongresse, auf die sich dann alle anderen beziehen müssen, denn wir haben den Apparat und das Geld und die Verbindungen in Ewigkeit. Amen.« PDS, linke Gewerkschaftsführer und Attac haben sich auf symbolisches Gipfelstürmen verständigt: »während die G20 in London tagt, machen wir eine Demo in Frankfurt am Main, zu der wir mindestens eine Million Menschen erwarten«. Um so etwas vorzubereiten, braucht's natürlich diverse Treffen, einen Vorbereitungskongress, Aufrufe, Absprachen, Gremien... und immer wieder sogenannte Mobilisierungsveranstaltungen, bei denen man mit den Leuten nicht über ihre realen Probleme mit der Krise und Versuchen von Widerstand redet, sondern sie »zur Demo mobilisiert«.
Mobilisierungen müssten Orte schaffen, um Kontakte zu knüpfen, (Krisen-)Erfahrungen auszutauschen, sich selber n Kopf zu machen. An diesen Ansprüchen gemessen, ist dieser Politikzirkus De-Mobilisierung, die Leute werden in die vorgegebenen, üblichen Politikformen reingepackt.
Um so wichtiger, dass wir unsere eigenen Standpunkte und Aktionslinien klarer rausarbeiten. Hoffentlich helfen die Artikel in der neuen Wildcat ein bisschen dabei! Unter anderem haben wir Berichte aus Ländern zusammengestellt, die früher und heftiger von der Krise erfasst wurden &nsdash; und wollen das in der nächsten Wildcat fortsetzen. Der oben zitierte US-Linke sagt inzwischen, es sehe »immer mehr danach aus, dass die Wahl von Obama Teil eines Deals war, um sicherzustellen, dass Geithner, Summers und die anderen treuen Vertreter der big bank in den vor uns liegenden stürmischen Jahren weiterhin an den Hebeln der politischen Macht sitzen« [3]

Eine Einsicht, die Barry McGuire (wer erinnert sich noch an »Eve of Destruction«?? [4] – apropos: zum Ende des Autos haben wir auch einen Artikel im Heft!) bereits am 4. November 2008 beim Deutschlandfunk zum Besten gab: »Die haben Obama engagiert, damit die Banken eine Weltregierung einrichten können, ich werde zum ersten Mal in meinem Leben nicht wählen gehen.«

Na dann: direct action!

[1] Siehe: telepolis

[2] Siehe: mmnews

[3] Siehe: counterpunch

[4] Siehe: youtube



aus: Wildcat 83, Frühjahr 2009



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